Review: 1x02 „The Target“

Steven DeKnight geht immer in Richtung relativ dunkler, epischer und gleichzeitig lustiger und actionreicher Momente. Bei Buffy ist er unter anderem deswegen eine Trademark der sechsten Staffel. Er versteht es, in einer Folge einen emotionalen Rollercoaster mit einem Plot zu verknüpfen, der als Genre–Story nicht nur Backdrop bleibt, sondern die Emotionen informiert, schürt und ausbrechen lässt. Deswegen ist er ein Whedon-Protege. Deswegen meinte Joss, „The Target“ hat Dollhouse nicht nur definiert, sondern auch gerettet, als das Drehbuch zu einer Zeit reinkam, wo niemand am Set so wirklich wusste, wie man die Idee der Serie mit Fox vereinbaren konnte. Deswegen ist „The Target“ die mit Abstand beste zweite Folge einer Whedon-Serie ever.

Dabei hieß es immer, erst bei Folge 6 geht Dollhouse in den vollen Wahnsinn-Modus. „The Target“ ist jedoch so vollgepackt mit Spaß, Action, Story, Background, Mystery und – ja – Epik, dass ich mich nur frage, wohin sie ab Folge 6 bitte gehen wollen. Wenn schon diese stand-alone Folgen am Anfang der Staffel so gut sind, kann hier tatsächlich eine der besten Staffeln, die das Fernsehen seit langer Zeit gesehen hat, auf uns zukommen.

„The Target“ ist auch zu Recht von Fox an Platz 2 der Staffel gesetzt worden. Sie haben ihren actionreichen stand-alone-Plot. Und eine Mystery dahinter, die auf mehr als nur einer unheimlichen Ebene mit ihm verbunden ist. Und nebenbei lacht man bei „The Target“ ungefähr fünf Mal mehr als bei „Ghost“ (Die „None of them Democrats.“-Zeile ist pures Gold). Was nicht heißen soll, es wäre ein besserer Pilot gewesen, wie manche behaupten. Es führt zwar auch die generellen Konzepte der Serie ein, aber ich weiß nicht wie es ohne das Wissen von „Ghost“ funktioniert hätte. So bleibt es auf jeden Fall die Folge, ab der Dollhouse anfängt aufzuzeigen, wie wörtlich, wie extrem und wie tief sie ihre eigene Prämisse lesen wollen, die Macher und Macherinnen. Was in „Ghost“ noch Andeutung war, bricht hier voll an die Oberfläche, und selbst jene Kritiker, die „Ghost“ verrissen haben, einigen sich darauf, dass „The Target“ 50 Minuten Weltklasse-TV ist. Mehr als zustimmen kann ich nicht. So gut unterhalten und erschüttert gefühlt habe ich mich schon lange nicht mehr.

Und worum ging’s? Ziele und Schultern? Blood, Screaming, Dying? Mal sehen, auf zur SPOILER-Section.

Traumata

Wir fangen an mit Alphas Ausbruch. Ein Massaker, ein Trauma für alle Beteiligten. Das Dollhouse erlebt sein 9/11, einen Psychopathen, der etwas Anarchie einführt, einen Joker. Der Terror ist körperlich und hinterlässt Narben, nicht nur auf Claires Gesicht. Der Terror ist eine Erinnerung, ein Flashback, nicht nur für uns, sondern auch für Jenny, als sie an das Ufer angeschwemmt wird, und es ist nur allzu tragisch, dass das Dollhouse diesen Terror, die Erinnerung daran, wipen kann. Claire hat diesen Luxus nicht. Sie erinnert uns daran, dass Vergangenheit etwas ist, was uns körperlich beeinflusst, und dass das Dollhouse (wie wir schon beim Teaser von „Ghost“ gesehen haben) eine eskapistische Fantasie ist, ein Weg Traumata zu überwinden, wenn man denn ein Active ist. Die Loslösung der Konsequenz, genau die Lektion kann ihr Gesicht nicht lernen.

Vergangenheit

Die kohärente Vergangenheit ist aber natürlich auch nur ein Trugbild. Die Flashbacks sind keine stringente Story und „The Target“ lässt – wie jede Erinnerung – Lücken zu, lässt Fragen offen. Wie unterschiedlich die Kohärenz einer Vergangenheit sein kann, haben wir an den zwei Fällen in „Ghost“ gesehen, aber hier geht die Serie noch einen Schritt weiter: Sogar das real-life ist voll von falschen Backgrounds und erfunden Personen. Alpha bekämpft das Dollhouse mit seinen eigenen Mitteln und schickt ihnen einen eine erfunden Persönlichkeit. Wieviel davon war erfunden? Ist Richards ständige Erwähnung vom Vater erfunden? Is seine Vergangenheits-Fixierung ein Spiel? Wir wissen nur, dass Echo diesmal etwas aus der Vergangenheit mitnimmt, ein kleiner Funken körperlicher Reaktion, als sie ganz am Ende andeutet, dass sie sich ihren Weg aus dem Dollhouse verdienen wird, dass sie etwas, das größer als sie ist, erlegen wird.

Ziele

Dollhouse ist das Ziel, auf das Echo schießt, und sie wird erst schießen, wenn sie weiß, dass es niedergehen wird. Aber gleichzeitig ist sie natürlich ein Ziel. Alphas Ziel, z.B., denn er setzt Richard nicht umsonst auf sie an. Etwas bestimmtes braucht Alpha von Echo, und sie mittels Richard zu testen, sie an ihre Grenze zu führen, eventuell eine Nahtod-Erfahrung herbeizuführen, die womöglich auch ihm die Augen geöffnet hat, ist ein erster Versuch dieses Ziel zu erreichen. Echo ist als Jenny auch das Ziel von Richard. Und der Hirsch ist deren beider Ziel. Der Ranger ist Boyds Ziel, und wir erfahren sogar, dass seine Präzision beim Zielen makellos ist. Keine großen Arterien wurden erwischt, Boyd zielt nicht, um zu töten. Boyd hat die Lektion von Richards Vater wohl nicht gelernt. Oder bricht er sie absichtlich? Wegen traumatischer „ex-cop heroics“ in seiner Vergangenheit vielleicht?

Sex

Eine der dunkelsten Analogien ist natürlich, das erlegen eines Ziels mit Sex zu verbinden. Der Pfeil, der uns so oft phallisch präsentiert wird, ist die Penetration der Schulter, des Bauches, des Beines. Der Pfeil ist der Schnitt (!) zum Orgasmus, und wenn das Dollhouse tatsächlich auch ein Ort ist, wo Menschen ihre dunkelsten Geheimnisse und Fantasien ausleben können, so ist dieser Aspekt unseres sexuellen Zusammenleben einer der bösesten, den sie in der Serie erforschen wollen. Was wollen wir voneinander? Was brauchen wir voneinander? Brauchen wir manchmal einfach nur ein Ziel? Is this the best date ever, or what? Hoffentlich nicht.

Körper

In der Folge geht es dementsprechend auch die ganze Zeit um Körperlichkeit. Alphas Verstümmelungen sind Schnitte auf der Haut, und er tut Samuelson genau das an, was Jenny und Richard sich antun: Zuerst mal die Gliedmaßen aufschneiden. Wenn der Gegner dann geschwächt ist, geht „the real work“ los. Die Arbeit, die wir auch die ganze Zeit mit der „shoulder to the wheel“-Metapher präsentiert bekommen. „Real work“ ist offenbar oft mit „blood, screaming, dying“ verbunden, und Echos Reise könnte wohl oder übel auch darin enden. Es ist jedoch eben diese epische Schulter, ein Körper, der auf Reeds unglaublich beschissene Bemerkungen reagiert. Es ist der Körper, der aufmuckt.

Alpha

Aber die Parallele zwischen Echo und Alpha hört bei dem Schlitzen von Häuten ja nicht auf. Nicht nur will Alpha ein Echo in Echo erzeugen, er will sie leben lassen, nicht jagen. Er will womöglich genau das herbeiführen, was ihm geholfen hat, zu entkommen. Ein „composite event“, und es ist schon verdammt clever, Jenny am Ende eine Zusammensetzung aller Halluzinationen, eine Komposition all der kleinen Glitches und Cracks der Programmierung gegenüberzustellen, und just diese Komposition den Grund sein zu lassen, dass Jenny sich aufrappelt und gewinnt. Vielleicht wusste Alpha, dass das passieren wird. Vielleicht nicht.

Märchen

Wie sie dazu kam, war das Gift in der Hütte: Wir bleiben bei Märchen als tragende Metapher für die Show. Paul wird getriezt, weil er Märchenfiguren jagt, und angeblich haben ein paar Kinder eine Hütte im Wald gefunden. In Wirklichkeit findet Jenny die Hütte, aber all der Zucker bekommt ihr nicht gut. Und sie wird sich auch bald fragen, wie wirklich diese Wirklichkeit ist, wenn die Halluzinationen einsetzen und Boyd sie daran erinnern muss, dass der Körper, sein Blut, sein kommender Tod, der Beweis für die Realität der erlebten Geschichte ist. So wie Claire uns mit ihrem Gesicht beweist, dass das Märchen von Alpha stimmt. Außer natürlich jenes, dass sie selbst aufgetischt bekommen, aber nicht miterlebt hat, nämlich Alphas Tötung. Die Märchen und das Fiktionale warten an jeder Ecke und bedrohen unser kohärentes Verständnis von Wirklichkeit.

Magic

Das Spiel mit der Wirklichkeit wird natürlich auch über das Thema der Magie aufgegriffen: Richard nennt die gesamte Operation einen Trick, Boyd nennt Topher einen Magier (eine Rolle, die er nur allzu gern annimmt), und allen ist gemein, dass Magie Kunst ist, kein Ölwechsel. Topher malt Bilder in die leeren Flächen, die die Actives sind. Alpha war ein hässliches Bild, eines das aber eventuell nur wegen zu hoher Ziele zu hässlich wurde: Der perfekte Imprint? Ninja-Skills? Hat er erst da seine Lektion aus „Ghost“, die über „lack“ und „fault“ gelernt?

Väter

Kurz zurück zu den Märchen: Sie sind nicht nur was fiktionales, sie sind auch etwas, was mit der Vergangenheit zu tun hat, mit der Kindheit. Märchen sind Kindergeschichten, die meistens von Eltern erzählt werden. Es ist klar, dass Boyd ab dieser Folge Echos Watcher, ihr Ersatzvater ist. Umso schöner, dass er ihr klarmacht, dass es „real“ ist (was es ja umgekehrt betrachte auf mehrfacher Ebene nicht ist: Jenny ist nicht real, die Serie ist nicht real, und halluziniert wird auch noch…), und gleichzeitig ihr eine Floskel auftischt: „Everything is going to be allright.“ Aber Jenny durchschaut das Märchen und dreht sofort die Rollenverteilung um. Dies ist die Lektion, die Richard offenbar nie gelernt hat, denn er redet von seinem Vater nur als Mentor („my dad taught me“) und als Richter („my dad would have liked you“). (Jenny hat übrigens auch viel von ihrer Familie gelernt: Wie Richard, den Umgang mit ihrer Waffe, z.B.) Wenn Märchen das sind, was uns unsere Eltern mitgeben und was einen starken Einfluss auf unsere Realitätswahrnehmung hat, so ist Echos Spannungsbogen hin zum Durchschauen des Dollhouses hier schon angelegt. Und Boyds Willigkeit, sie auf diesem Weg zu unterstützen und ihr zu vertrauen ist einer der schönsten Charaktersetups, die Whedon je vollbracht hat.
Und das ist nämlich auch etwas, was „The Target“ an sich auszeichnet. Es bietet Charakter-Momente, wie sie eben nur eine Whedon-Serie bieten kann. Nur Firefly gelangte so schnell zu so wunderbaren (und fragwürdigen) Charakteren wie Dollhouse. Aber wenn das so weiter geht, beschreitet Dollhouse mit seinen Charakteren deutlich gefährlicheres und unheimlicheres Terrain. Gefährlich und unheimlich, wie ein Ausflug in die Wildnis der Natur. Jeder kann das Ziel eines Pfeils, eines Twists sein. Gut, dass dies schon in der zweiten Folge klargemacht wird.

Spekulationen und Randbemerkungen:
  • Ist DeKnight ein großer Anya-Fan? Nicht nur sind (ziemlich fürchterliche) „rabbits“ Thema in „The Target“, der Fahrer von Boyd meint: „The woods. I hate the woods.“ was mich an „Bargaining (Part 2)“ erinnert hat.
  • Es ist schade, dass Sierra nicht auftaucht, aber sie bleiben konsistent dabei, ihre Figur vom Ende von “Ghost“ männlich zu kodieren: Sie ist der „fifth guy“.
  • Dass Topher Joss ist, wird insofern auch klarer, weil er Wash ist, und Wash auch Joss‘ Stimme auf der Serenity war. „Everything looks beautiful from here“ ist nur ganz knapp vorbei an der allerersten Wash-Zeile im Firefly-Piloten. Und das Schachbrett statt den Dinosauriern war auch eine Sekunde später im Bild.
  • Mark Sheppard zuzusehen ist einfach nur eine Wonne, jedes Mal.
  • Ab dieser Folge nehmen auch die Shipping-Möglichkeiten enorm zu. Toyd- bzw. Bopher-Fans sind schon stark im Kommen.
  • Ist Mellie, Pauls Nachbarin, ein Active? Oder Lubov? Möglichkeiten, über Möglichkeiten.

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