Review: 1x11 „Briar Rose“
Es wird Zeit, den Knoten zu vollenden. Dollhouse mutiert langsam aber doch zu einer Staffel, bei der die Summen immer einen Übertrag haben, und was herauskommt, neben einem tollen Ergebnis, auch noch ein wunderschönes Jenseits offen lässt. Eine zweite Staffel hat noch immer so viel zu sagen. Und trotzdem wurde schon hier so viel gesagt.
Die Konvergenz all der bisher eingebrachten Themen und die Idee, die tatsächliche Zusammenführung der moralischen Positionen mit der Prämisse, der Dollhouse-Technologie, gerät dabei, wie in „Briar Rose“ oftmals, zu einem Getöse, zu einem Ozean an kaum zu durchdringenden Beats-per-minute, der eine gute Klimax allzuoft auszeichnet. Wenn ich an die bisherigen Whedon-Werke denke, fällt mir keine Staffel ein, die in einem thematisch und moralisch ähnlich vertrackten Orkan reinpurzelt wie diese hier.
Dabei wäre einzig Staffel 6 von Buffy (schon seit „Ghost“) der einzige Anhaltspunkt im Zurückrechnen der Whedon-Vision. Wenn wir denn zurückrechnen wollen, so ist die moralische Auflösung die dort stattfindet, der effektive Tod von Buffy als moralischem Anker, die Widergeburt Spikes, Willow’s Wahnsinn und Xander und Anya’s Scheitern, die einzige mit der wir das hier Dargebotene vergleichen könnten. Aber ein wesentlicher Unterschied bleibt: Buffy dekonstruierte die moralische Gemeinschaft nach 5 Jahren spannenden Mitfieberns. Dollhouse hingegen hat gar nichts, was zu dekonstruieren wäre, da wir schon in einem derartig unsicheren Hafen von Anfang an hineingeworfen wurden. „Briar Rose“ dreht nun diese Unsicherheit weiter zu, sperrt uns ein, hinterfragt unterwegs alles und jeden, und lässt uns mit einem gierigen Verlangen nach Mehr zurück, das uns selbst irgendwie anekelt. Ich weiß nicht genau, ob ich derartige Vergleiche anstellen möchte oder kann, aber diese Staffel hat mich jetzt schon mehr berührt, beohrfeigt und beleidigt als alles was Whedon bisher gemacht hat. Dafür danke ich nicht nur ihm, sondern auch Jane Espenson, die „Briar Rose“ geschrieben hat.
Macht’s überhaupt noch Sinn, eine eigene SPOILER-Section zu machen?
Prinzen
Denken wir z.B. an den Kampf zwischen Boyd und Paul. Sie kämpfen um einen Körper, der für sie zwei verschieden Sachen symbolisiert: Boyd kämpft um Echo, da er weiß, dass sie draußen verloren ist, und weil er weiß, dass ohne die Technologie des Dollhouses, Echo nicht zu helfen ist. Der Komplize kämpft also darum, den Schaden des Systems am und im System zu beheben. Paul hingegen kämpft um Caroline, um den (harmonisch vermuteten) Urzustand, bevor das System zuschlug. Bezeichnend war für mich, dass ich einfach beim besten Willen nicht entscheiden konnte, für welchen Prinzen ich denn in dem Kampf nun juble. Beide sind Arschlöcher mit fragwürdigen Motiven, beide sind in ihrem Trans-Cop-Dasein allzuoft zum Mitspielen nach Adelles Regeln gebracht worden. Nichts symbolisiert das schöner, als dass ihr Fight im Dollhouse selbst stattfindet, nicht in der wirklichen Welt, vor einem Richter oder vor der Gesellschaft, die tatsächlich dabei ist zu verschwinden, weil es diese Technologie gibt.
Während also die Prinzen-Rolle in dem Fight völlig unschlüssig bleibt, haben wir mit Alpha den tatsächlichen Prinzen in der Folge ja schon gefunden. The curtains close on a kiss, god knows, und der Kuss ist zwischen unserem Damsel und dem psychopathischen Serienmörder. Nochdazu ist unser Damsel zu jemandem geworden, den wir nicht mal ansatzweise erahnen können, Echos Imprint bleibt völlig unklar am Ende. Außerdem erinnert uns der Prinz ja auch an Echos tatsächliche Involviertheit in dem Fight: Ihre Entscheidung für Boyd und gegen Paul wurde getriggert durch zwei Erinnerungen. Paul als Gegner in „Man on the Street“, und Boyd als Freund in „The Target“. Während die beiden sich also die Schädel einschlagen, schnappt Echo zwei völlig artifizielle und arbiträre Ereignisse auf, den DBG-Imprint (sogar ohne die hidden Message) und den Handler-Trust-Imprint, zwei Produkte der Technologie. Ihre Seitenwahl kann willkürlicher nicht sein. Paul ist als ambige Figur da sogar spannender, da sie „zufällig“ ja auch harmlosere Momente mit ihm erhaschen hätte können, während bei Boyd meiner Ansicht nach nur nette, hilfreiche Szenen zur Auswahl standen. Diese Asymmetrie erklärt die systematische Unbalance der Charaktere, die um Echo kämpfen und ihre Ironie: Dass Boyd nur schöne Erinnerung liefern könnte und auch tatsächlich derjenige ist, den Echo dann auswählt, ist gerade deshalb so tragisch, da er der Komplize des Systems ist. Dass Paul, als jemand, der einer Fantasie nacheilt und ein womöglich cooleres Ziel verfolgt (nämlich Echo als Beweis für das Dollhouse zu verwenden und das ganze Ding zu stürzen), der ambige Zuschauer ist, tut gerade deshalb weh, weil er unser Ankerpunkt für alle Befreiungsfantasien von Anfang an war.
Dornröschen
Aber als ob dieser epische Fight nicht genug Material für eine Folge wäre, haben wir on top of that (wie in The Dark Knight nach der nervenzerfetzenden Fähren-Situation) auch noch einen tatsächlichen Prinzen, den Big Bad Alpha, der Echo befreit. Dass Jane Espenson dieses Märchen für Echos Story gewählt hat, ist nur allzu passend: Der Prinz kommt nämlich völlig lame in letzter Sekunde und kassiert den ganzen Credit. Echos Geschichte hat aber viel mehr Parallelen zum Grimmschen Märchen. So wurde Dornröschen bei der Party von elf Feen mit guten Eigenschaften imprinted (!), sowie von einer schlechten, nämlich ihrem hundertjährigen Schlaf. Carolines fünfjähriger Schlaf im Dollhouse, dem Schloss mit Stacheldraht und Dornen, ist Resultat von Formierungsprozessen, die schon früher begonnen haben. Das System greift nicht erst ab dem Gespräch zwischen Adelle und ihr, das System operiert schon seit jeher auch in jedem Außen, dass es kategorisch zulässt, eine Lektion, die Caroline schmerzhaft auch in „Needs“ lernen musste.
Dass Echo hier angebunden wird an „Haunted“ und „Ghost“ ist dabei noch der netteste Nebengedanke. In „Ghost“ und „Haunted“ war sie eine traumatisierte Frau, die die Technologie für das Überwinden ihrer Traumata benutzen konnte. Wie Susan. Und als Susan macht Echo hier auch klar, dass die Geschichte mit dem Prinzen stinkt. Antizipiert wird das Grande Finale natürlich dadurch, dass Susan selbst Messer und Schnittwerkzeuge, Alphas Signatur, am Körper trägt. Der Prinz ist ihr näher, als sie denkt. Dies ist fast schon meine Lieblingsantizipation einer Folge, die – ganz in Espenson-Manier – vor solchen Kniffs nur so trieft: Paul sagt es Loomis ins Gesicht, dass er ihr den Badge abnehmen wird, und vor Keplers Tür hat er ihn. Alpha hat Angst vor der Hand in den Stiegen, und Paul wird an ihr letztendlich scheitern. Und Märchen selbst als Triebfeder von Pauls (und unseren) Rettungsfantasien sind in „Ghost“, „The Target“ und „Man on the Street“ noch von jedem ahnungslosem Bystander als die offensichtlichste Motivation erkannt worden. Awww, wie ich solches Storytelling vermisst habe.
Aber Espenson sagt uns auch klar und deutlich, dass diese Antizipationen – so spaßig sie auch sind – als Geschichte über Charaktere Kontrollmechanismen darstellen. Susan weigert sich, das Märchen, dass ihr eine Rolle (und uns z.B. Paul und Boyd als Helden) zuwies, zu akzeptieren, und Susan d. Ä. gibt ihr den entscheidenden Tipp: Du kannst aus dem System nicht raus, nicht aus der Geschichte, so wenig wie aus dem Dollhouse, aber du kannst die Rolle die du drin einnimmst ändern. Du kannst selbst zum Prinzen werden. Wie der Psychopath auch. Die Ärztin kann zum Active werden. Dom kann zu Victor werden. Erschreckend, dass diese kraftvolle Emanzipations-Message (die z.B. Buffy in der sechsten und siebten Staffel auch immer wieder, aber vor allem in „Normal Again“ und „Storyteller“ mit Kawumm an unsere sicherheitsgeschulten Köpfe warf) verbunden wird mit dem Herz der Unterdrückung selbst, mit der Technologie, die den ganzen Scheiß erst ermöglicht, mit der Technologie, die dir erlaubt eine andere Rolle zu spielen als die, die dir ursprünglich zugewiesen wurde. (Geil, wie Geschlecht das erste und einzige ist, was Susan als den großen Widerspruch dieses Gedankenganges erkennt. Oh ja, this goes deeper than memory. Dollhouse ist in der Frage, wie das Geschlecht als narrativer Kontrollmechanismus operiert, wirklich eine aktualisierte und in gewissem Sinne explizierte Aufarbeitung von Dennis Potters „Blackeyes“.)
Cliffhanger
Dabei ist gerade dieser Kommentar über Narrative nicht nur eine sehr düstere Erkenntnis über Echo (und alle anderen Charaktere), er sagt auch was über uns als Zuseher aus. Wir gieren nach dem Narrativ, obwohl wir wissen, dass es ein Kontrollmechanismus ist. Der Cliffhanger und die vielen „Wie geht’s weiter?“-Fragen platzieren uns genau in diesem Rezeptionsdilemma. In völliger Schizophrenie endet eine Folge darüber, dass Geschichten uns kontrollieren und bestimmen, mit einem riesigen Verlangen nach einer Fortsetzung der Geschichte. Märchen sind doof, aber wie gehen sie aus? Mit wem können wir am Ende jubeln, wen können wir bemitleiden, wen hassen? Als ob die Serie mit ihrem moralisch völlig undurchdringlichen Geflecht an Beziehungen nicht schon oft genug darauf hingewiesen hat, dass wir hier einfach nicht die gleiche Identifikationsleistung schaffen können wie sonst im TV (auch wie sonst bei Whedon), lässt sie uns trotzdem in diesem Wunsch zurück. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr mich das an den Rand des Wahnsinns bringt. Wie sehr ich mich dafür hasse, diese Serie zu lieben. Und wie sehr ich mir über alles, was ich selbst je darüber gesagt und projeziert habe, unsicher bin. Diese Unsicherheit derart masochistisch aufzudrängen ist vielleicht die stärkste Leistung, die diese Serie von mir abverlangt hat. Kudos und Danke.
Spekulationen und Randbemerkungen
Die Konvergenz all der bisher eingebrachten Themen und die Idee, die tatsächliche Zusammenführung der moralischen Positionen mit der Prämisse, der Dollhouse-Technologie, gerät dabei, wie in „Briar Rose“ oftmals, zu einem Getöse, zu einem Ozean an kaum zu durchdringenden Beats-per-minute, der eine gute Klimax allzuoft auszeichnet. Wenn ich an die bisherigen Whedon-Werke denke, fällt mir keine Staffel ein, die in einem thematisch und moralisch ähnlich vertrackten Orkan reinpurzelt wie diese hier.
Dabei wäre einzig Staffel 6 von Buffy (schon seit „Ghost“) der einzige Anhaltspunkt im Zurückrechnen der Whedon-Vision. Wenn wir denn zurückrechnen wollen, so ist die moralische Auflösung die dort stattfindet, der effektive Tod von Buffy als moralischem Anker, die Widergeburt Spikes, Willow’s Wahnsinn und Xander und Anya’s Scheitern, die einzige mit der wir das hier Dargebotene vergleichen könnten. Aber ein wesentlicher Unterschied bleibt: Buffy dekonstruierte die moralische Gemeinschaft nach 5 Jahren spannenden Mitfieberns. Dollhouse hingegen hat gar nichts, was zu dekonstruieren wäre, da wir schon in einem derartig unsicheren Hafen von Anfang an hineingeworfen wurden. „Briar Rose“ dreht nun diese Unsicherheit weiter zu, sperrt uns ein, hinterfragt unterwegs alles und jeden, und lässt uns mit einem gierigen Verlangen nach Mehr zurück, das uns selbst irgendwie anekelt. Ich weiß nicht genau, ob ich derartige Vergleiche anstellen möchte oder kann, aber diese Staffel hat mich jetzt schon mehr berührt, beohrfeigt und beleidigt als alles was Whedon bisher gemacht hat. Dafür danke ich nicht nur ihm, sondern auch Jane Espenson, die „Briar Rose“ geschrieben hat.
Macht’s überhaupt noch Sinn, eine eigene SPOILER-Section zu machen?
Prinzen
Denken wir z.B. an den Kampf zwischen Boyd und Paul. Sie kämpfen um einen Körper, der für sie zwei verschieden Sachen symbolisiert: Boyd kämpft um Echo, da er weiß, dass sie draußen verloren ist, und weil er weiß, dass ohne die Technologie des Dollhouses, Echo nicht zu helfen ist. Der Komplize kämpft also darum, den Schaden des Systems am und im System zu beheben. Paul hingegen kämpft um Caroline, um den (harmonisch vermuteten) Urzustand, bevor das System zuschlug. Bezeichnend war für mich, dass ich einfach beim besten Willen nicht entscheiden konnte, für welchen Prinzen ich denn in dem Kampf nun juble. Beide sind Arschlöcher mit fragwürdigen Motiven, beide sind in ihrem Trans-Cop-Dasein allzuoft zum Mitspielen nach Adelles Regeln gebracht worden. Nichts symbolisiert das schöner, als dass ihr Fight im Dollhouse selbst stattfindet, nicht in der wirklichen Welt, vor einem Richter oder vor der Gesellschaft, die tatsächlich dabei ist zu verschwinden, weil es diese Technologie gibt.
Während also die Prinzen-Rolle in dem Fight völlig unschlüssig bleibt, haben wir mit Alpha den tatsächlichen Prinzen in der Folge ja schon gefunden. The curtains close on a kiss, god knows, und der Kuss ist zwischen unserem Damsel und dem psychopathischen Serienmörder. Nochdazu ist unser Damsel zu jemandem geworden, den wir nicht mal ansatzweise erahnen können, Echos Imprint bleibt völlig unklar am Ende. Außerdem erinnert uns der Prinz ja auch an Echos tatsächliche Involviertheit in dem Fight: Ihre Entscheidung für Boyd und gegen Paul wurde getriggert durch zwei Erinnerungen. Paul als Gegner in „Man on the Street“, und Boyd als Freund in „The Target“. Während die beiden sich also die Schädel einschlagen, schnappt Echo zwei völlig artifizielle und arbiträre Ereignisse auf, den DBG-Imprint (sogar ohne die hidden Message) und den Handler-Trust-Imprint, zwei Produkte der Technologie. Ihre Seitenwahl kann willkürlicher nicht sein. Paul ist als ambige Figur da sogar spannender, da sie „zufällig“ ja auch harmlosere Momente mit ihm erhaschen hätte können, während bei Boyd meiner Ansicht nach nur nette, hilfreiche Szenen zur Auswahl standen. Diese Asymmetrie erklärt die systematische Unbalance der Charaktere, die um Echo kämpfen und ihre Ironie: Dass Boyd nur schöne Erinnerung liefern könnte und auch tatsächlich derjenige ist, den Echo dann auswählt, ist gerade deshalb so tragisch, da er der Komplize des Systems ist. Dass Paul, als jemand, der einer Fantasie nacheilt und ein womöglich cooleres Ziel verfolgt (nämlich Echo als Beweis für das Dollhouse zu verwenden und das ganze Ding zu stürzen), der ambige Zuschauer ist, tut gerade deshalb weh, weil er unser Ankerpunkt für alle Befreiungsfantasien von Anfang an war.
Dornröschen
Aber als ob dieser epische Fight nicht genug Material für eine Folge wäre, haben wir on top of that (wie in The Dark Knight nach der nervenzerfetzenden Fähren-Situation) auch noch einen tatsächlichen Prinzen, den Big Bad Alpha, der Echo befreit. Dass Jane Espenson dieses Märchen für Echos Story gewählt hat, ist nur allzu passend: Der Prinz kommt nämlich völlig lame in letzter Sekunde und kassiert den ganzen Credit. Echos Geschichte hat aber viel mehr Parallelen zum Grimmschen Märchen. So wurde Dornröschen bei der Party von elf Feen mit guten Eigenschaften imprinted (!), sowie von einer schlechten, nämlich ihrem hundertjährigen Schlaf. Carolines fünfjähriger Schlaf im Dollhouse, dem Schloss mit Stacheldraht und Dornen, ist Resultat von Formierungsprozessen, die schon früher begonnen haben. Das System greift nicht erst ab dem Gespräch zwischen Adelle und ihr, das System operiert schon seit jeher auch in jedem Außen, dass es kategorisch zulässt, eine Lektion, die Caroline schmerzhaft auch in „Needs“ lernen musste.
Dass Echo hier angebunden wird an „Haunted“ und „Ghost“ ist dabei noch der netteste Nebengedanke. In „Ghost“ und „Haunted“ war sie eine traumatisierte Frau, die die Technologie für das Überwinden ihrer Traumata benutzen konnte. Wie Susan. Und als Susan macht Echo hier auch klar, dass die Geschichte mit dem Prinzen stinkt. Antizipiert wird das Grande Finale natürlich dadurch, dass Susan selbst Messer und Schnittwerkzeuge, Alphas Signatur, am Körper trägt. Der Prinz ist ihr näher, als sie denkt. Dies ist fast schon meine Lieblingsantizipation einer Folge, die – ganz in Espenson-Manier – vor solchen Kniffs nur so trieft: Paul sagt es Loomis ins Gesicht, dass er ihr den Badge abnehmen wird, und vor Keplers Tür hat er ihn. Alpha hat Angst vor der Hand in den Stiegen, und Paul wird an ihr letztendlich scheitern. Und Märchen selbst als Triebfeder von Pauls (und unseren) Rettungsfantasien sind in „Ghost“, „The Target“ und „Man on the Street“ noch von jedem ahnungslosem Bystander als die offensichtlichste Motivation erkannt worden. Awww, wie ich solches Storytelling vermisst habe.
Aber Espenson sagt uns auch klar und deutlich, dass diese Antizipationen – so spaßig sie auch sind – als Geschichte über Charaktere Kontrollmechanismen darstellen. Susan weigert sich, das Märchen, dass ihr eine Rolle (und uns z.B. Paul und Boyd als Helden) zuwies, zu akzeptieren, und Susan d. Ä. gibt ihr den entscheidenden Tipp: Du kannst aus dem System nicht raus, nicht aus der Geschichte, so wenig wie aus dem Dollhouse, aber du kannst die Rolle die du drin einnimmst ändern. Du kannst selbst zum Prinzen werden. Wie der Psychopath auch. Die Ärztin kann zum Active werden. Dom kann zu Victor werden. Erschreckend, dass diese kraftvolle Emanzipations-Message (die z.B. Buffy in der sechsten und siebten Staffel auch immer wieder, aber vor allem in „Normal Again“ und „Storyteller“ mit Kawumm an unsere sicherheitsgeschulten Köpfe warf) verbunden wird mit dem Herz der Unterdrückung selbst, mit der Technologie, die den ganzen Scheiß erst ermöglicht, mit der Technologie, die dir erlaubt eine andere Rolle zu spielen als die, die dir ursprünglich zugewiesen wurde. (Geil, wie Geschlecht das erste und einzige ist, was Susan als den großen Widerspruch dieses Gedankenganges erkennt. Oh ja, this goes deeper than memory. Dollhouse ist in der Frage, wie das Geschlecht als narrativer Kontrollmechanismus operiert, wirklich eine aktualisierte und in gewissem Sinne explizierte Aufarbeitung von Dennis Potters „Blackeyes“.)
Cliffhanger
Dabei ist gerade dieser Kommentar über Narrative nicht nur eine sehr düstere Erkenntnis über Echo (und alle anderen Charaktere), er sagt auch was über uns als Zuseher aus. Wir gieren nach dem Narrativ, obwohl wir wissen, dass es ein Kontrollmechanismus ist. Der Cliffhanger und die vielen „Wie geht’s weiter?“-Fragen platzieren uns genau in diesem Rezeptionsdilemma. In völliger Schizophrenie endet eine Folge darüber, dass Geschichten uns kontrollieren und bestimmen, mit einem riesigen Verlangen nach einer Fortsetzung der Geschichte. Märchen sind doof, aber wie gehen sie aus? Mit wem können wir am Ende jubeln, wen können wir bemitleiden, wen hassen? Als ob die Serie mit ihrem moralisch völlig undurchdringlichen Geflecht an Beziehungen nicht schon oft genug darauf hingewiesen hat, dass wir hier einfach nicht die gleiche Identifikationsleistung schaffen können wie sonst im TV (auch wie sonst bei Whedon), lässt sie uns trotzdem in diesem Wunsch zurück. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr mich das an den Rand des Wahnsinns bringt. Wie sehr ich mich dafür hasse, diese Serie zu lieben. Und wie sehr ich mir über alles, was ich selbst je darüber gesagt und projeziert habe, unsicher bin. Diese Unsicherheit derart masochistisch aufzudrängen ist vielleicht die stärkste Leistung, die diese Serie von mir abverlangt hat. Kudos und Danke.
Spekulationen und Randbemerkungen
- Ist das Susan-Engagement eine Topher-Geschichte, oder eines jener Pro-Bono-Dinger, die im ursprünglichen Piloten noch fest Teil des Konzepts waren, aber in der tatsächlichen Serie mehr oder weniger verschwunden sind?
- Wenn Dr. Saunders ein Active ist, warum ließ sie Alpha damals am Leben? War Proto-Whisky (also ihre Prä-Dollhouse-Person) seine große Liebe, weshalb er es nicht übers Herz brachte den Körper zu töten? Ist Proto-Whisky nun in Echo? Das alles würde nett erklären, dass die echte Dr. Saunders tatsächlich starb beim Alpha-Inzident, und eine zerschnipselte Doll (unbrauchbar für externe Missionen) schnell als Dr. Saunders programmiert wurde, um mit dem Aftermath zu dealen.
- Enver Gjokaj. Meine Fresse, was’n Schauspieler.
- Hat Topher auch mit Alpha mal Geburtstag gefeiert? An einigen Stellen schimmerte Topher in seinem Gehabe durch, und wir wissen, dass Alpha mit der Dollhouse-Technologie super umgehen kann. Würde nur Sinn machen, dass Topher nach dem Composite Event jetzt in Alpha durchdringt.
- Was genau flüstert Adelle Boyd ins Ohr, als sie Victor mit Dom imprinten?
wiesengrund - 6. Mai, 11:24