Review: Dollhouse 1x01 „Ghost“
Okay, es ist also soweit. Ein „Written & Directed by Joss Whedon“ huscht über unsere TV-Bildschirme, und es wird wieder Zeit ein „Interpreted by us“ dranzusetzen. Erst mal allgemein, und Spoiler-frei: „Ghost“ ist ein verdammt guter Pilot. Er ist vollkommen anders als alles was Whedon bisher gemacht hat, er ist gleichzeitig exakt das, was ich an Whedon schon vorher geliebt habe, und er ist vor allem eines: Ein Pilot.
Das heißt es fühlt sich nach einer Exposition an. Es ist ein sehr vorsichtiger Versuch, neue Leute in ein Universum einzuführen, dass sehr kompliziert ist, und Whedon gelingt dabei das Kunststück, seine komplizierteste Serien-Prämisse auf die unkomplizierteste Art und Weise zu erzählen. Dieses Kunststück werden natürlich manche als „Langeweile“ empfinden, weil Exposition (vor allem, wenn man sich mit dem Universum vorher schon etwas auseinander gesetzt hat) uns nicht viel „Aha!“-Momente oder Plot-Twists liefert. Aber „Ghost“ legt Fährten aus, wunderbare kleine Hinweise, große Fragen und den einen oder anderen Cliffhanger, was es eben zu einem guten Piloten macht. Abseits der Exposition und der Story-of-the-week, merkt man der Folge an, dass sie eine von vielen Fragen, die noch kommen werden, ist.
Was alles in allem mehr ist, als ich (auch nach der negativen Presse im Vorfeld) erwartet habe. „Ghost“ liefert eine spannende Geschichte, mit Gastauftritten, mit denen man tatsächlich was verbinden kann (auch weil durch Remote Free TV Dollhouse mit 49 min lang läuft und sich nirgends stressen muss), weil sie Zeit haben uns wichtig zu werden. Also eine gute Folge. Gleichzeitig enormes Potential, klare Exposition, massig spannende Subtexte und ein Cliffhanger, der großes verspricht. Also ein guter Pilot. Alles in allem steht einer guten Serie also nichts mehr im Weg.
Außer uns, natürlich. :) Ab hier komme ich nun zum harten Kern, einem Versuch „Ghost“ zu interpretieren. Vorsicht, ab hier wimmelt es nur so von SPOILERN.
Whedon fragte sich, ob er ein böser Mensch sei, als er die Early/Kaylee-Szene in „Objects in Space“ schrieb: Der existenzialistische Monolog, gefolgt von einem „You ever been raped?“. Heutzutage vergeht kaum ein Interview, wo er sich nicht fragt, ob er bei Dollhouse nicht irgendwelche Grenzen überschritten hat, ob er nicht Menschenhandel glorifiziert, ob er nicht eine Jungs-Phantasie über das perfekte Bordell fabriziert. Er weist auch darauf hin, wie „disturbing“ die Serie sei, nur vergleichbar mit Staffel 6 von Buffy, dem dunkelsten aller Fernsehjahre. Wie böse ist also Whedon?
Dass Moral und Ethik sehr kompliziert sind bei Whedon hilft uns ja hier nicht einmal weiter. „Ghost“ lebt in einer eigenen Welt, die sich schwierig von unseren Seherfahrung bei Buffy und Firefly informieren lässt. Im Wesentlichen liegt das daran, dass es keine Gruppe an Helden gibt. Nicht mal Anti-Helden gibt’s. Keine Scoobies, keine Besatzung, nur böse Menschen und wandelnde Schablonen. Identifikation ist eine der letzten Sachen, die uns Whedon hier ermöglicht. Dafür hält höchsten der Client-of-the-week her.
Objects in Space
Aber Identifikation ist auch nicht so sehr Thema der Serie, wie Objektifikation. In „Ghost“ wird Sexualität als Thema schon explizit eingeführt, im ersten Engagement logischerweise als „how much fun can we have in three days“, im zweiten als das furchtbare „(how much fun can he have in) three months“. Im beiden gibt es Fesseln („ropes“ und „locks“) und beiden werden die Fesseln letztendlich abgelegt. Dass Echo, das programmierbare Objekt von Begierden, die Lektion vom ersten Engagement ins zweite übertragen muss, um das Mädchen zu befreien, dass sie die Fesseln des Kühlschranks lösen muss, ist insofern scary, weil es was aussagt über Sexualität und Begierde im Allgemeinen: Die Fesseln sind im guten wie im schlechten da (nicht nur im schlechten). In dem einen ist die Lösung jedoch leichter als im anderen, und wie du die Fesseln loswirst, lernst du am besten konsensuell. (Äääääh… Moment, wie war das nochmal? Was ist denn bitte Konsens bei Actives?)
Geschlecht
Oh, boy, was für eine mess Whedon hier angerichtet hat. Da geht’s drunter und drüber, wie oft Frauen als Männer hier gedeutet werden: „Our mutual friend referred me.“ meint Eleanor Penn, und Gabriel antwortet „I’m sure he did.“ und meint dabei Adelle. Später dann reden sie über Geschlecht als Merkmal für Qualifikation für den Job at hand, und Gabriel sagt „I think our friend sent the wrong person“ obwohl er deutlich „gender“ meint, was Miss Penn natürlich sofort kapiert: „Fatherly types“. Wie jene im TV z.B., als Joss Gabriel seine Lieblingsserie erwähnen lässt. Nur wenige Augenblicke später dann dieser vollkommen absurde Dialog auf der Treppe:
Eleanor Penn: They came inside your house, your seriously fortified house in order to tell you that they could.
Crestejo-Security-Hoschi (auf Spanisch): This guy. He is the worst kind of pig.
Eleanor Penn (auf Spanisch): He’s the best kind of pig.
Eleanor Penn (auf Englisch): I’ve dealt with the others, amateurs, men with a grudge or an urge. You want a professional, a man who knows the business, knows how high the stakes should or shouldn’t go. The percentage of successful negotiations goes way up.
Gabriel Crestejo: And what’s the percentage?
Eleanor Penn: Not a hundred.
Eleanor “a man who knows his business” Penn redet hier natürlich auch darüber, dass unser menschliches Zusammenleben (immer eine Art Aushandlung oder “negotiation”) auch nie “a hundred percent” klappt, aber wir wissen auch, dass es Grenzen und Regeln gibt, die wir “Gesellschaft” nennen, und die unsere Verhandlungen steuern: Dies ist der ständige Beruf, von dem die Rede ist: „You want a professional“. Während Kidnappen als gesellschaftliches Zusammenspiel („a private transaction“) ja so oder so ausgehen kann (nämlich „either everybody gets what they want, or nobody does“) sind es die Emotionen, die dieses Zusammenspiel oft kaputt machen („those emotions are of no use right now“). Dafür gibt’s dann Profis, die uns helfen, Regeln, die die Emotionen unter Kontrolle halten. Bricht man die Regeln, vergewaltigt man ein kleines Mädchen während des Kidnappens, so ist das „unprofessional“. Es ist nicht umsonst, dass Eleanor die Profession, die gesellschaftlichen Regeln gleich mit ihrer Gender-Zuschreibung verbindet: Geschlecht does that, oh ja. Und Geschlecht ist ja auch eine Profession.
Nebenbei haben wir einen geschlechtsambigen „school teacher“ (Eleanor und Mr. Sheppard) und Sierra, „the man“, der „Rambo“, der mit brausender Gewalt kurzen Prozess macht, obwohl eigentlich alle schon am rauskommen waren. Ich bin geneigt zu sagen, Gender is all over the place. Was es wohl auch sein muss, wenn man mit der Prämisse sowas wie Identität angehen möchte.
Identität
Das ist ja nun mal irgendwie klar, was macht uns zu den Menschen, die wir sind, und womit können wir uns vergleichen, gleich setzen, identifizieren? Echo wird zu Eleanor Penn, aber Eleanor Penn ist natürlich ein „amalgam“, ein fragiles Kunstwerk („this is art, not an oil change“ wird Topher in 1x02 „The Target“ sagen) aus vielen Puzzlestückchen, die vor allem kein „greatest hits“-Album sind. Echo wird das auf Befehl, einerseits von der Chefin der großen Maschine, Adelle, andererseits durch den Programmierer Topher, der in dem Moment auch Joss ist: Der Erschaffer von Charakteren. Hier ist die Metapher, dass Actives für Actors stehen natürlich auch veranlagt. Aber mindestens ebenso interessant fand ich den kurzen Einwurf von Laurence Dominic, als er Miss Penn zum Helikopter begleitet, und Boyd befiehlt zurückzubleiben: „Miss DeWitt will decide what you are.“ Oh, wirklich? Sie entscheidet das also nicht nur bei Actives, wo sie einen Proxy hat mit Topher, sondern auch im „realen“ Leben? Sie bestimmt die Proxys?
Proxys
Und was ist eigentlich mit Adelle los? Man sieht sie mit Caroline und mit den Proxys, aber nie mit den Actives. Noch absurder: Eben die Verbindung dieses Dreiecks wird thematisiert, als Boyd rennen muss, um Topher am wipen von Miss Penn zu hindern. Gibt es keine Telefone vor Ort? Oder will Joss hier nur betonen, dass es ein langer Weg für Boyd ist, einen Active zu erreichen, eine lange Entfernung zwischen Adelle und ihnen (und zwischen Adelle und Topher?), die nicht durch short-cuts unterschritten werden kann? Es gibt keine Wurmlöcher im Dollhouse.
Dieses „will decide what you are“ ist für mich auch ein Zeichenbegriff. Der Interpretant, der das Zeichen erst zum Zeichen macht laut Charles S. Peirce, ist derjenige, der die Beziehung zum Objekt erst eingeht, die das Zeichen zum Objekt schon hat. Sind die Actives die Objekte, mit den leicht-sympathiserenden Zeichen Boyd, Topher, Claire, und Adelle der finale Interpretant? Aber wer entschiedt hier dann über wen? Adelle hat jedenfalls keinen direkten Zugang zu den Objekten, außer den über Zeichen, Kameras und Papiere. Nette Ontologie.
Märchen
Zurück zu etwas handfesterem haben wir thematisch Märchen als dauernder Nebensatz in der Folge: Das Ende von Matts wunderbarem Wochenende ist das Ende von Aschenputtels Ball-Besuch. Das Dollhouse selbst ist laut dem FBI ein „fairy tale“ (man beachte hier auch wieder den Vorteil davon, wenn der Name einer Serie einem Objekt oder Charakter der Serie entnommen ist…), und Jane Espenson hat Folge 11 geschrieben: „Briar Rose“ betitelt, das Dornröschen. Märchen sind Erinnerungen aus der Vergangenheit, aus der Kindheit. Man könnte auch sagen: Geister. Als Gabriel Miss Penn auf dem Balkon zum Erinnern an diese schlimmen Tage bringt, meint er: „Maybe it’s all made up.“ (Adelle’s Geschlechtsambiguität kommt da nochmal kurz auf, als er sagt: „All these terrible memories these men put in your head.“ Oder meint er nur Topher? Weiß er überhaupt von Topher?) Womit er natürlich Recht hat. Erinnerungen sind „made up“ im wahrsten Sinne des Wortes, weil sie geistige Einbildung von etwas sind, dass es per Definition nicht mehr gibt: Die Vergangenheit. Im Dollhouse aber, wird diese Beobachtung natürlich an die Spitze getrieben: Die Erinnerungen sind „made up“ in Miss Penn, und dann nochmal „made up“ in Echo. Objekte, Zeichen, Interpretanten.
Nun, was ist nun mit diesen Erinnerungen? Sind sie das, was uns definiert? Sie sind unsere Identität? Wir bekommen die Macht dieser Idee deutlich zu spüren, als Echo zu Boden geht beim Anblick einer alten Erinnerung: „You can’t fight a ghost.“ Solche Dinge haben einen Einfluss auf uns. Märchen sind Teil dieses Einflusses: „They summon the terror that they prepare you to cope with.“ Und Gabriel hat nach dem Gespräch, wo er erfährt, dass Eleanor diesen Albtraum selbst durchgegangen ist, keine Zweifel mehr, dass sie die richtige für den Job ist. Bis zum Scheitern am Dock, als sie feststellen muss, dass sie doch nicht genug vorbereitet war.
Geister
Die Umkehrung von Miss Penns Scheitern am Dock, nämlich als sie in der Hütte dem Geist klar macht, sie sei selbst ein Geist, ein Schatten seiner Vergangenheit, die er dachte in den Fluss werfen zu können, „before he was sure she was dead“, ist natürlich Whedon-Trademark schlechthin. Da geht’s dann nicht nur um flüssige Ethik und komplizierte Fragen, sondern das ist die Punchline: Dass das Mädchen, dem Greueltaten angetan wurden, zurückkommen wird. Dass wir so eine Vergangenheit nicht loswerden („See, It’s his former life coming back to haunt him. You can’t outrun your past. See? Get it? That’s the point, Joss. It’s compelling!” Zack Whedon auf “Zack’s Rap”, dem vielleicht besten Track auf Commentary! The Musical) ist natürlich eine nette Auflösung einer Folge. Aber es ist vielleicht auch nur ein Setup? Eine Trope, die es zu brechen gilt? So wie die von Zack besungene Moist-Storyline nicht in Dr. Horrible Thema wurde, so werden wir bei Dollhouse vielleicht auch lernen müssen, Erinnerungen und Geistern weniger ernst zu nehmen. Ein Pilot spiegelt bei Whedon ja nicht selten die Struktur einer ganzen Staffel wieder, und wenn das alles hier noch Matt’s Weekende ist, will ich mir gar nicht vorstellen, was gegen Ende der Staffel dann los ist.
Und woher kommen eigentlich die herumwandern Geister des Dollhouse? Schnappen sie sich Erinnerung von Freiwilligen, oder werden die auch gekidnappt? Ist das Dollhouse, das Leben in einer Datenbank (und dann sporadisch, fragmentiert eingeschrieben in einem neuen Körper) ein cooles Afterlife? Kann man Eleanor Penn das überhaupt fragen? Kann man nicht, wie wir wissen. Die erste Regel des Jenseits ist: Du verlierst kein Wort über das Jenseits. Aber wir wissen, dass das Märchen Eleanor letztendlich die Kraft gab, im Jenseits ihre Opferrolle los zu werden, eine Kraft die sie zur Zeit ihres Selbstmords vielleicht nicht hatte. Eine Kraft, die im wichtigsten Moment nur Boyd erahnt hat.
Ein anderer Nebengedanken zu Geistern: Es gibt zwei Szenen, wo das Motiv der Unischtbarkeit durchdringt. Divina, als sie gekidnappt wird und Lubov, als er pissen geht. Zweimal betritt ein Charakter einen Raum und schaut nicht genau hin. Im Raum ist jemand, ein Geist, aber die Wahrnehmung schaut nicht genau, so wie Miss Penn nur „blurry“ sieht. Geister tauchen oft aus dem Nichts auf und nehmen dich mit. Oder halten dir eine Waffe in den Nacken bis du dich anpisst.
Wahrnehmung
Dass die unscharfen Aufnahmen von Mr. Sunshine nur dem Auf-die-falsche-Fährte-führen bezüglich des Asthmas dienen, ist ja soweit mal richtig. Wir kriegen aber in der Folge auch die ganze vor Augen geführt, wie unscharf und problematisch unsere eigene Wahrnehmung ist. Whedon lässt dabei die Kamera an einigen Stellen deutlich Kamera sein und Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Als wir Sierra kennenlernen, zerschneidet die Kamera ihren Körper förmlich in die männlichen Objektbeobachtungen auf Beine, Brüste, Kopf. Folgerichtig kapiert Echo in ihrem Kind-Zustand sofort, dass der Körper dem Geist was sagt: „She hurts.“ Und dass diese Message eine ist, die alle Frauen da teilen: Echo’s Knie, Claire’s Narben, alle haben sie Schmerzen. Echo und Sierra haben/werden natürlich vergessen woran es liegt, aber Claire trägt ihre Narben offen zur Schau. Ihr Schmerz ist physisch manifest geworden. Will sie sich täglich im Spiegel erinnern? Oder muss sie sich täglich erinnern? (Kann man so verhindern, selbst zum Active zu werden? Sich einfach entstellen, und sich für so alle Engagements unbrauchbar machen?) Läuft sie überhaupt weg, wie Topher meinte? Die Narben sind jedenfalls körperliche Geister, materielle Erinnerung, nicht fiktionale. Kann Whedon sogar dass hinterfragen? Wie verlässlich ist ein Körper als Erinnerung? Diskutieren wir derartige Körperlichkeiten etwa genauso herbei, wie alles andere?
Außerdem geht es natürlich um die Wahrnehmung von uns. Wir, die Zuschauer, kommen in die Folge mit einer Überwachungskamera, einem Voyeur. Eine ganz merkwürdige Art und Weise Caroline als TV anzudeuten (was die Folge ja dann abschließt und somit einen herrlichen Bogen spannt.), aber eben auch eine die uns klarmacht: „Ihr schaut das. Jetzt gerade. Mal sehen, was ihr zu sehen bekommt, aber seid euch bewusst: Ihr schaut das.“ Sind wir der nackte Mann am Ende, der Voyeur? Derjenige, der Paul hilft, Echo zu finden und der dafür über Leichen geht? Gruselige Vorstellung. Aber es ist und soll ja „disturbing“ sein.
Spekulationen und Randbemerkungen:
EDIT: Afterthoghts
Hidden Transcripts
Von wegen, Dollhouse fängt nur dort an, wo Firefly mit „Objects in Space“ aufgehört hat. Wir haben auf einer sehr viel expliziteren Ebene auch einen Verweis auf Serenity, nämlich über den Vergleich der jeweiligen hegemonialen Strukturen: Hidden Transcripts sind geheimes Wissen der hegemonialen Mächte, die bei Veröffentlichung die Ordnung in Frage stellen würden. In Serenity haben wir einen derartigen Fall ganz explizit vorhanden, denn ist „the signal“, die „message“ über Miranda, die Aufzeichnung, eine verstecktes Transkript eben, dass bei Veröffentlichung die Allianz schwächt. Die Unterdrückten bringen die Greueltaten ans Licht.
Jetzt sehen wir bei „Ghost“ etliche solcher Ideen: Der nackte Mann verschickt Hidden Transcripts an Paul, die Herrschenden im Dollhouse haben „eyes only“ Hidden Transcripts, die die untergebenen nichts angehen, und Adelle Gebot, nicht über das Dollhouse mit den Actives zu reden ist auch eine Aufforderung, ein Transkript, ein Signal versteck zu halten. Umso bedeutender also die Balkon-Szene als Gabriel anfängt dopplebödig zu reden, und somit das Transkript kurz freilegt. Das ist es, was Echo aus der Bahn wirft, was ihr teilweise die Augen öffnet, teilweise einen Blick auf geheimes Wissen (Sierra) ermöglicht. Und wie bei Serenity, ist auch die Idee der Hidden Transcripts auf einer Meta-Ebene zu finden: „Can’t Stop The Signal“ wurde zum Symbol dafür, das die Verbreitung des Whedonverse nicht gestoppt werden kann. Joss offenbart selbst als Storyteller versteckte Transkripte unserer Kultur, unseres Kapitalismus, unsere Mächte. Was auf Dollhouse natürlich auch zutrifft.
Reality
Die Meta-Ebene auch sehr schön eingepackt hat er in dem Telefonat zwischen Gabriel und Davina, als sie ihn anfleht Fernsehen zu dürfen, und er meint: „that reality crap“ schmilzt die Hirne ihrer Freunde, während sie sich lieber über „knowledge“ freuen sollte. Klar, Seitenhiebe auf non-scripted, non-storytelling Fernsehen sind süß, aber es ist auch erstaunlich wie klar Joss hier sagt, dass Fiktion, nicht Realität, uns bei der Vernunft hält. Schlimmer: Realität macht dich Wahnsinnig. Topher… ähm, Ich meine…. Joss erschafft Fiktion, Charaktere, Welten. Topher rettet die Actives vor ihrem kindsartigen Wahnsinn, zwingt sie in die rationale, professionelle Rolle, die wir in der Gesellschaft nun mal spielen müssen. Und erinnern wir uns bitte auch nur daran, dass die Wahrheit, die Realität (in Form eines Hidden Transcripts) River „crazy“ machte. Erst das Aussprechen und Offenbaren (ein performative Komponente von Medien, Aufzeichnungen, Fotos, Sprache, Papier, Zeichen) löst solche Traumata, macht dich heil und konsistent, widerspruchsfrei. Es bleibt abzuwarten, wie lange das Dollhouse den Wahnsinn kontrollieren kann. Wie lange es ihn „containen“ kann, denn er läuft nicht nur unter ihren Fittichen von Massage zu Massage, von Engagement zu Engagement rum, sondern vermutlich auch draußen, in der wirklichen Realität. (Kein Bedarf diese letzten zwei Worte in Anführungszeichen zu setzen. Wir wissen ja jetzt schon, wie ambig diese Begriffe hier sind.)
Kontrolle
Und eine Sache, die ich von Joss selbst in Interviews gehört habe, und die Thema der Show sein soll, sind natürlich Fantasien und Macht: Ein Active zu sein ist eine sehr zweischneidige Fantasie (selbst wenn das ganze eine Jungs-Fantasie sein soll). Es geht um die Loslösung von der rationalen Kauslitätszuweisung, darum, dass „actions“ keine „consequences“ haben, wie Adelle es sagt, die Fantasie, Verantwortung abgeben zu können für 5 Jahre. Mit dem Preis, auch den freien Willen abzugeben. Eine Frage, die Joss seit „Normal Again“ (oder doch „Chosen“?) nicht mehr so herzhaft angegangen ist.
EDIT 2: Noch mehr Afterthoughts
Foxification
Es ist eine der weniger spannenden Whedon-Szenen, sicher. Die Motorradfahrt, die Party. Aber eine Idee, die mich einfach nicht loslassen will, ist dass Whedon hierbei nicht nur Fox einen Gefallen tut, indem er Joe Blow ins Boot holt. Er macht auch die Prämisse der Serie wahr. Wenn es eine solche Einrichtung gäbe, wie das Dollhouse, wäre es naiv zu glauben, dass nicht die Mehrzahl an Engagements genau dieses „perfect date“-Format wären. Dies ist es, was die Leute daraus holen wollen würden. Dies ist der selling point. Und dies gilt natürlich auch für die Serie Dollhouse: Wenn man so ein Konzept einem Sender pitcht, wäre es naive zu glauben, dass sie nicht für genau diese Art von Unterhaltung gehen würden. (Diese Naivität hat Whedon auch sich selbst vorgeworfen, als er erklärt, dass es seine Idee war, diesen neuen Piloten zu machen, und nicht die des Sender.) Diese Engagements müssen die erste Hook sein, bevor wir mit Kindervergewaltigung und Identität und weißgottnochwas loslegen.
Schön, aber auch, wie Adelle Caroline das Active-Konzept schmackhaft macht, mit Handlungen die keine Konsequenzen haben. Sie ködert natürlich auch uns, als Zuseher in die Serie. Nun wissen wir, dass Echo eine Reise in Richtung kohärentes Subjekt durchmacht, dass Echos Handlungen graduell an Gewicht und Konsequenzen zunehmen werden. Umso schöner, dass das Schauen von Fernsehserien (seit jeher, seit der Bildung der Unterhaltungsindustrie die konsequnzloseste gesellschaftliche Struktur, eine die sprachlich nicht umsonst so oft mit „nur“ vorangestellt wird…) als nerdiges Leben-verändern bei Whedon schon jeher nicht als „bloße“ Unterhaltung angelegt war: Dies macht er hier schon im Piloten deutlich. Wenn unsere Reise die von Echo spiegeln soll, so fangen wir also auch bei Folgen ohne Konsequenzen an, den stand-alones. Und Enden dann bei einem sehr wohl relevanten, gefährlichen, und viel mehr Einfluss als gewollt habenden kohärenten Subjekt, das uns irritiert.
Kohärenz
Aber man beachte die Umkehrung, die diese Reise im Piloten erhält. Was mir erst jetzt wirklich auffällt, ist dass wir unterschiedliche Kohärenzen erhalten für die zwei Engagements: Beim ersten erhalten wir eine komplette Backstory beim Wipe: Einen kohärenten Erinnerungsstrom, eine monokausale Kette, die bis zur Geburt reicht. Beim zweiten sieht die Sache viel komplizierter aus. Es gibt z.B, zu Recht massive Debatten unter den Fans, wie Ellie tatsächlich zusammengesetzt ist. Wir wissen, dass es eine Art good-hits-compilation aus vielen Personen ist, aber wir wissen z.B. nicht, wer davon was erlebt hat. Es gibt keine Wipe-Szene die uns eine kohärente Vergangenheit von Ellie zeigt. Joss lässt den Topher/Body-Dialog über den Selbstmord bewusst ambig, und erwähnt Eleanor Penns Namen nicht. Wir wissen nicht, ob sie es war, die abused wurde. Wir wissen nicht, wer Selbstmord begangen hat. Wer zum Geier ist Eleanor Penn? Diese Unterstreichung von Echos Fragmentierheit ist natürlich (auch wegen dem fehlenden Wipe) insofern spannend, weil es die Reise der Serie (von kohärent zu fucked-up) und die Reise von eventuelle so manchem Charakter spiegeln könnte. Anders betrachtet: Die kohärente Persönlichkeit am Anfang hat nicht einmal einen Namen, während die fragmentiere ohne kohärente Vergangenheit, einen hat. Genau deswegen? Muss der Erzähler sich solche Mühen machen? Will er uns damit sagen: Was kohärente Subjekte sind, kaufen wir eh sofort (und als erstes, und weil es spaßig und sexy ist) und genau deswegen muss man es erst gar nicht benennen? Was kompliziert und weird und disturbing ist, braucht jedoch einen Namen, da wir sonst völlig aussteigen würden? Weirde Sache.
Das heißt es fühlt sich nach einer Exposition an. Es ist ein sehr vorsichtiger Versuch, neue Leute in ein Universum einzuführen, dass sehr kompliziert ist, und Whedon gelingt dabei das Kunststück, seine komplizierteste Serien-Prämisse auf die unkomplizierteste Art und Weise zu erzählen. Dieses Kunststück werden natürlich manche als „Langeweile“ empfinden, weil Exposition (vor allem, wenn man sich mit dem Universum vorher schon etwas auseinander gesetzt hat) uns nicht viel „Aha!“-Momente oder Plot-Twists liefert. Aber „Ghost“ legt Fährten aus, wunderbare kleine Hinweise, große Fragen und den einen oder anderen Cliffhanger, was es eben zu einem guten Piloten macht. Abseits der Exposition und der Story-of-the-week, merkt man der Folge an, dass sie eine von vielen Fragen, die noch kommen werden, ist.
Was alles in allem mehr ist, als ich (auch nach der negativen Presse im Vorfeld) erwartet habe. „Ghost“ liefert eine spannende Geschichte, mit Gastauftritten, mit denen man tatsächlich was verbinden kann (auch weil durch Remote Free TV Dollhouse mit 49 min lang läuft und sich nirgends stressen muss), weil sie Zeit haben uns wichtig zu werden. Also eine gute Folge. Gleichzeitig enormes Potential, klare Exposition, massig spannende Subtexte und ein Cliffhanger, der großes verspricht. Also ein guter Pilot. Alles in allem steht einer guten Serie also nichts mehr im Weg.
Außer uns, natürlich. :) Ab hier komme ich nun zum harten Kern, einem Versuch „Ghost“ zu interpretieren. Vorsicht, ab hier wimmelt es nur so von SPOILERN.
Whedon fragte sich, ob er ein böser Mensch sei, als er die Early/Kaylee-Szene in „Objects in Space“ schrieb: Der existenzialistische Monolog, gefolgt von einem „You ever been raped?“. Heutzutage vergeht kaum ein Interview, wo er sich nicht fragt, ob er bei Dollhouse nicht irgendwelche Grenzen überschritten hat, ob er nicht Menschenhandel glorifiziert, ob er nicht eine Jungs-Phantasie über das perfekte Bordell fabriziert. Er weist auch darauf hin, wie „disturbing“ die Serie sei, nur vergleichbar mit Staffel 6 von Buffy, dem dunkelsten aller Fernsehjahre. Wie böse ist also Whedon?
Dass Moral und Ethik sehr kompliziert sind bei Whedon hilft uns ja hier nicht einmal weiter. „Ghost“ lebt in einer eigenen Welt, die sich schwierig von unseren Seherfahrung bei Buffy und Firefly informieren lässt. Im Wesentlichen liegt das daran, dass es keine Gruppe an Helden gibt. Nicht mal Anti-Helden gibt’s. Keine Scoobies, keine Besatzung, nur böse Menschen und wandelnde Schablonen. Identifikation ist eine der letzten Sachen, die uns Whedon hier ermöglicht. Dafür hält höchsten der Client-of-the-week her.
Objects in Space
Aber Identifikation ist auch nicht so sehr Thema der Serie, wie Objektifikation. In „Ghost“ wird Sexualität als Thema schon explizit eingeführt, im ersten Engagement logischerweise als „how much fun can we have in three days“, im zweiten als das furchtbare „(how much fun can he have in) three months“. Im beiden gibt es Fesseln („ropes“ und „locks“) und beiden werden die Fesseln letztendlich abgelegt. Dass Echo, das programmierbare Objekt von Begierden, die Lektion vom ersten Engagement ins zweite übertragen muss, um das Mädchen zu befreien, dass sie die Fesseln des Kühlschranks lösen muss, ist insofern scary, weil es was aussagt über Sexualität und Begierde im Allgemeinen: Die Fesseln sind im guten wie im schlechten da (nicht nur im schlechten). In dem einen ist die Lösung jedoch leichter als im anderen, und wie du die Fesseln loswirst, lernst du am besten konsensuell. (Äääääh… Moment, wie war das nochmal? Was ist denn bitte Konsens bei Actives?)
Geschlecht
Oh, boy, was für eine mess Whedon hier angerichtet hat. Da geht’s drunter und drüber, wie oft Frauen als Männer hier gedeutet werden: „Our mutual friend referred me.“ meint Eleanor Penn, und Gabriel antwortet „I’m sure he did.“ und meint dabei Adelle. Später dann reden sie über Geschlecht als Merkmal für Qualifikation für den Job at hand, und Gabriel sagt „I think our friend sent the wrong person“ obwohl er deutlich „gender“ meint, was Miss Penn natürlich sofort kapiert: „Fatherly types“. Wie jene im TV z.B., als Joss Gabriel seine Lieblingsserie erwähnen lässt. Nur wenige Augenblicke später dann dieser vollkommen absurde Dialog auf der Treppe:
Eleanor Penn: They came inside your house, your seriously fortified house in order to tell you that they could.
Crestejo-Security-Hoschi (auf Spanisch): This guy. He is the worst kind of pig.
Eleanor Penn (auf Spanisch): He’s the best kind of pig.
Eleanor Penn (auf Englisch): I’ve dealt with the others, amateurs, men with a grudge or an urge. You want a professional, a man who knows the business, knows how high the stakes should or shouldn’t go. The percentage of successful negotiations goes way up.
Gabriel Crestejo: And what’s the percentage?
Eleanor Penn: Not a hundred.
Eleanor “a man who knows his business” Penn redet hier natürlich auch darüber, dass unser menschliches Zusammenleben (immer eine Art Aushandlung oder “negotiation”) auch nie “a hundred percent” klappt, aber wir wissen auch, dass es Grenzen und Regeln gibt, die wir “Gesellschaft” nennen, und die unsere Verhandlungen steuern: Dies ist der ständige Beruf, von dem die Rede ist: „You want a professional“. Während Kidnappen als gesellschaftliches Zusammenspiel („a private transaction“) ja so oder so ausgehen kann (nämlich „either everybody gets what they want, or nobody does“) sind es die Emotionen, die dieses Zusammenspiel oft kaputt machen („those emotions are of no use right now“). Dafür gibt’s dann Profis, die uns helfen, Regeln, die die Emotionen unter Kontrolle halten. Bricht man die Regeln, vergewaltigt man ein kleines Mädchen während des Kidnappens, so ist das „unprofessional“. Es ist nicht umsonst, dass Eleanor die Profession, die gesellschaftlichen Regeln gleich mit ihrer Gender-Zuschreibung verbindet: Geschlecht does that, oh ja. Und Geschlecht ist ja auch eine Profession.
Nebenbei haben wir einen geschlechtsambigen „school teacher“ (Eleanor und Mr. Sheppard) und Sierra, „the man“, der „Rambo“, der mit brausender Gewalt kurzen Prozess macht, obwohl eigentlich alle schon am rauskommen waren. Ich bin geneigt zu sagen, Gender is all over the place. Was es wohl auch sein muss, wenn man mit der Prämisse sowas wie Identität angehen möchte.
Identität
Das ist ja nun mal irgendwie klar, was macht uns zu den Menschen, die wir sind, und womit können wir uns vergleichen, gleich setzen, identifizieren? Echo wird zu Eleanor Penn, aber Eleanor Penn ist natürlich ein „amalgam“, ein fragiles Kunstwerk („this is art, not an oil change“ wird Topher in 1x02 „The Target“ sagen) aus vielen Puzzlestückchen, die vor allem kein „greatest hits“-Album sind. Echo wird das auf Befehl, einerseits von der Chefin der großen Maschine, Adelle, andererseits durch den Programmierer Topher, der in dem Moment auch Joss ist: Der Erschaffer von Charakteren. Hier ist die Metapher, dass Actives für Actors stehen natürlich auch veranlagt. Aber mindestens ebenso interessant fand ich den kurzen Einwurf von Laurence Dominic, als er Miss Penn zum Helikopter begleitet, und Boyd befiehlt zurückzubleiben: „Miss DeWitt will decide what you are.“ Oh, wirklich? Sie entscheidet das also nicht nur bei Actives, wo sie einen Proxy hat mit Topher, sondern auch im „realen“ Leben? Sie bestimmt die Proxys?
Proxys
Und was ist eigentlich mit Adelle los? Man sieht sie mit Caroline und mit den Proxys, aber nie mit den Actives. Noch absurder: Eben die Verbindung dieses Dreiecks wird thematisiert, als Boyd rennen muss, um Topher am wipen von Miss Penn zu hindern. Gibt es keine Telefone vor Ort? Oder will Joss hier nur betonen, dass es ein langer Weg für Boyd ist, einen Active zu erreichen, eine lange Entfernung zwischen Adelle und ihnen (und zwischen Adelle und Topher?), die nicht durch short-cuts unterschritten werden kann? Es gibt keine Wurmlöcher im Dollhouse.
Dieses „will decide what you are“ ist für mich auch ein Zeichenbegriff. Der Interpretant, der das Zeichen erst zum Zeichen macht laut Charles S. Peirce, ist derjenige, der die Beziehung zum Objekt erst eingeht, die das Zeichen zum Objekt schon hat. Sind die Actives die Objekte, mit den leicht-sympathiserenden Zeichen Boyd, Topher, Claire, und Adelle der finale Interpretant? Aber wer entschiedt hier dann über wen? Adelle hat jedenfalls keinen direkten Zugang zu den Objekten, außer den über Zeichen, Kameras und Papiere. Nette Ontologie.
Märchen
Zurück zu etwas handfesterem haben wir thematisch Märchen als dauernder Nebensatz in der Folge: Das Ende von Matts wunderbarem Wochenende ist das Ende von Aschenputtels Ball-Besuch. Das Dollhouse selbst ist laut dem FBI ein „fairy tale“ (man beachte hier auch wieder den Vorteil davon, wenn der Name einer Serie einem Objekt oder Charakter der Serie entnommen ist…), und Jane Espenson hat Folge 11 geschrieben: „Briar Rose“ betitelt, das Dornröschen. Märchen sind Erinnerungen aus der Vergangenheit, aus der Kindheit. Man könnte auch sagen: Geister. Als Gabriel Miss Penn auf dem Balkon zum Erinnern an diese schlimmen Tage bringt, meint er: „Maybe it’s all made up.“ (Adelle’s Geschlechtsambiguität kommt da nochmal kurz auf, als er sagt: „All these terrible memories these men put in your head.“ Oder meint er nur Topher? Weiß er überhaupt von Topher?) Womit er natürlich Recht hat. Erinnerungen sind „made up“ im wahrsten Sinne des Wortes, weil sie geistige Einbildung von etwas sind, dass es per Definition nicht mehr gibt: Die Vergangenheit. Im Dollhouse aber, wird diese Beobachtung natürlich an die Spitze getrieben: Die Erinnerungen sind „made up“ in Miss Penn, und dann nochmal „made up“ in Echo. Objekte, Zeichen, Interpretanten.
Nun, was ist nun mit diesen Erinnerungen? Sind sie das, was uns definiert? Sie sind unsere Identität? Wir bekommen die Macht dieser Idee deutlich zu spüren, als Echo zu Boden geht beim Anblick einer alten Erinnerung: „You can’t fight a ghost.“ Solche Dinge haben einen Einfluss auf uns. Märchen sind Teil dieses Einflusses: „They summon the terror that they prepare you to cope with.“ Und Gabriel hat nach dem Gespräch, wo er erfährt, dass Eleanor diesen Albtraum selbst durchgegangen ist, keine Zweifel mehr, dass sie die richtige für den Job ist. Bis zum Scheitern am Dock, als sie feststellen muss, dass sie doch nicht genug vorbereitet war.
Geister
Die Umkehrung von Miss Penns Scheitern am Dock, nämlich als sie in der Hütte dem Geist klar macht, sie sei selbst ein Geist, ein Schatten seiner Vergangenheit, die er dachte in den Fluss werfen zu können, „before he was sure she was dead“, ist natürlich Whedon-Trademark schlechthin. Da geht’s dann nicht nur um flüssige Ethik und komplizierte Fragen, sondern das ist die Punchline: Dass das Mädchen, dem Greueltaten angetan wurden, zurückkommen wird. Dass wir so eine Vergangenheit nicht loswerden („See, It’s his former life coming back to haunt him. You can’t outrun your past. See? Get it? That’s the point, Joss. It’s compelling!” Zack Whedon auf “Zack’s Rap”, dem vielleicht besten Track auf Commentary! The Musical) ist natürlich eine nette Auflösung einer Folge. Aber es ist vielleicht auch nur ein Setup? Eine Trope, die es zu brechen gilt? So wie die von Zack besungene Moist-Storyline nicht in Dr. Horrible Thema wurde, so werden wir bei Dollhouse vielleicht auch lernen müssen, Erinnerungen und Geistern weniger ernst zu nehmen. Ein Pilot spiegelt bei Whedon ja nicht selten die Struktur einer ganzen Staffel wieder, und wenn das alles hier noch Matt’s Weekende ist, will ich mir gar nicht vorstellen, was gegen Ende der Staffel dann los ist.
Und woher kommen eigentlich die herumwandern Geister des Dollhouse? Schnappen sie sich Erinnerung von Freiwilligen, oder werden die auch gekidnappt? Ist das Dollhouse, das Leben in einer Datenbank (und dann sporadisch, fragmentiert eingeschrieben in einem neuen Körper) ein cooles Afterlife? Kann man Eleanor Penn das überhaupt fragen? Kann man nicht, wie wir wissen. Die erste Regel des Jenseits ist: Du verlierst kein Wort über das Jenseits. Aber wir wissen, dass das Märchen Eleanor letztendlich die Kraft gab, im Jenseits ihre Opferrolle los zu werden, eine Kraft die sie zur Zeit ihres Selbstmords vielleicht nicht hatte. Eine Kraft, die im wichtigsten Moment nur Boyd erahnt hat.
Ein anderer Nebengedanken zu Geistern: Es gibt zwei Szenen, wo das Motiv der Unischtbarkeit durchdringt. Divina, als sie gekidnappt wird und Lubov, als er pissen geht. Zweimal betritt ein Charakter einen Raum und schaut nicht genau hin. Im Raum ist jemand, ein Geist, aber die Wahrnehmung schaut nicht genau, so wie Miss Penn nur „blurry“ sieht. Geister tauchen oft aus dem Nichts auf und nehmen dich mit. Oder halten dir eine Waffe in den Nacken bis du dich anpisst.
Wahrnehmung
Dass die unscharfen Aufnahmen von Mr. Sunshine nur dem Auf-die-falsche-Fährte-führen bezüglich des Asthmas dienen, ist ja soweit mal richtig. Wir kriegen aber in der Folge auch die ganze vor Augen geführt, wie unscharf und problematisch unsere eigene Wahrnehmung ist. Whedon lässt dabei die Kamera an einigen Stellen deutlich Kamera sein und Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Als wir Sierra kennenlernen, zerschneidet die Kamera ihren Körper förmlich in die männlichen Objektbeobachtungen auf Beine, Brüste, Kopf. Folgerichtig kapiert Echo in ihrem Kind-Zustand sofort, dass der Körper dem Geist was sagt: „She hurts.“ Und dass diese Message eine ist, die alle Frauen da teilen: Echo’s Knie, Claire’s Narben, alle haben sie Schmerzen. Echo und Sierra haben/werden natürlich vergessen woran es liegt, aber Claire trägt ihre Narben offen zur Schau. Ihr Schmerz ist physisch manifest geworden. Will sie sich täglich im Spiegel erinnern? Oder muss sie sich täglich erinnern? (Kann man so verhindern, selbst zum Active zu werden? Sich einfach entstellen, und sich für so alle Engagements unbrauchbar machen?) Läuft sie überhaupt weg, wie Topher meinte? Die Narben sind jedenfalls körperliche Geister, materielle Erinnerung, nicht fiktionale. Kann Whedon sogar dass hinterfragen? Wie verlässlich ist ein Körper als Erinnerung? Diskutieren wir derartige Körperlichkeiten etwa genauso herbei, wie alles andere?
Außerdem geht es natürlich um die Wahrnehmung von uns. Wir, die Zuschauer, kommen in die Folge mit einer Überwachungskamera, einem Voyeur. Eine ganz merkwürdige Art und Weise Caroline als TV anzudeuten (was die Folge ja dann abschließt und somit einen herrlichen Bogen spannt.), aber eben auch eine die uns klarmacht: „Ihr schaut das. Jetzt gerade. Mal sehen, was ihr zu sehen bekommt, aber seid euch bewusst: Ihr schaut das.“ Sind wir der nackte Mann am Ende, der Voyeur? Derjenige, der Paul hilft, Echo zu finden und der dafür über Leichen geht? Gruselige Vorstellung. Aber es ist und soll ja „disturbing“ sein.
Spekulationen und Randbemerkungen:
- Ist das am Ende gar Alpha? Ein psychopatischer Prototyp (Alpha ist der erste Name im NATO-Alphabet...) der schief ging, entkam und draußen am Niedergang des Dollhouse arbeitet? Ist das das Zuhause von Caroline? Sind das ihre Eltern? Das Familien-Video und das Foto deuten darauf hin. Aber warum Echo?
- Echos „spike“ war am Balkon, als bei Gabriel der Subtext increasingly zum Text wurde. Ihr „spike“ war Sierra. Ist ihr Bonding, ihre „Freundschaft“ was Echos Selbsterwachen ermöglicht?
- Hat Claire eine Motivation hinter ihrer „Does that bother you?“-Frage? Ist es nicht gefährlich, nach den Ansichten dieser manipulierten Kinder zu Fragen? Was würde Adelle dazu sagen? (Eliza’s „Should it?“-Delivery war übrigens mehr als grandios. An der Stelle verkaufte sie mir das Konzept der Kindhaftigkeit.)
- War Alpha ein „greatest hit“? Habe sie erst dadurch und schmerzhaft gelernt, dass das nicht gut geht?
- Ich fand das Setup mit einem flashigen, sexy Engagement am Anfang und einem tief-beunruhigenden am Ende sehr gut. Es ist die klassische Tropen-Brechung: Darla und Junge gehen in die Sunnydale High rein. Aber es kommt halt nie wie erwartet, nicht bei Joss Whedon.
EDIT: Afterthoghts
Hidden Transcripts
Von wegen, Dollhouse fängt nur dort an, wo Firefly mit „Objects in Space“ aufgehört hat. Wir haben auf einer sehr viel expliziteren Ebene auch einen Verweis auf Serenity, nämlich über den Vergleich der jeweiligen hegemonialen Strukturen: Hidden Transcripts sind geheimes Wissen der hegemonialen Mächte, die bei Veröffentlichung die Ordnung in Frage stellen würden. In Serenity haben wir einen derartigen Fall ganz explizit vorhanden, denn ist „the signal“, die „message“ über Miranda, die Aufzeichnung, eine verstecktes Transkript eben, dass bei Veröffentlichung die Allianz schwächt. Die Unterdrückten bringen die Greueltaten ans Licht.
Jetzt sehen wir bei „Ghost“ etliche solcher Ideen: Der nackte Mann verschickt Hidden Transcripts an Paul, die Herrschenden im Dollhouse haben „eyes only“ Hidden Transcripts, die die untergebenen nichts angehen, und Adelle Gebot, nicht über das Dollhouse mit den Actives zu reden ist auch eine Aufforderung, ein Transkript, ein Signal versteck zu halten. Umso bedeutender also die Balkon-Szene als Gabriel anfängt dopplebödig zu reden, und somit das Transkript kurz freilegt. Das ist es, was Echo aus der Bahn wirft, was ihr teilweise die Augen öffnet, teilweise einen Blick auf geheimes Wissen (Sierra) ermöglicht. Und wie bei Serenity, ist auch die Idee der Hidden Transcripts auf einer Meta-Ebene zu finden: „Can’t Stop The Signal“ wurde zum Symbol dafür, das die Verbreitung des Whedonverse nicht gestoppt werden kann. Joss offenbart selbst als Storyteller versteckte Transkripte unserer Kultur, unseres Kapitalismus, unsere Mächte. Was auf Dollhouse natürlich auch zutrifft.
Reality
Die Meta-Ebene auch sehr schön eingepackt hat er in dem Telefonat zwischen Gabriel und Davina, als sie ihn anfleht Fernsehen zu dürfen, und er meint: „that reality crap“ schmilzt die Hirne ihrer Freunde, während sie sich lieber über „knowledge“ freuen sollte. Klar, Seitenhiebe auf non-scripted, non-storytelling Fernsehen sind süß, aber es ist auch erstaunlich wie klar Joss hier sagt, dass Fiktion, nicht Realität, uns bei der Vernunft hält. Schlimmer: Realität macht dich Wahnsinnig. Topher… ähm, Ich meine…. Joss erschafft Fiktion, Charaktere, Welten. Topher rettet die Actives vor ihrem kindsartigen Wahnsinn, zwingt sie in die rationale, professionelle Rolle, die wir in der Gesellschaft nun mal spielen müssen. Und erinnern wir uns bitte auch nur daran, dass die Wahrheit, die Realität (in Form eines Hidden Transcripts) River „crazy“ machte. Erst das Aussprechen und Offenbaren (ein performative Komponente von Medien, Aufzeichnungen, Fotos, Sprache, Papier, Zeichen) löst solche Traumata, macht dich heil und konsistent, widerspruchsfrei. Es bleibt abzuwarten, wie lange das Dollhouse den Wahnsinn kontrollieren kann. Wie lange es ihn „containen“ kann, denn er läuft nicht nur unter ihren Fittichen von Massage zu Massage, von Engagement zu Engagement rum, sondern vermutlich auch draußen, in der wirklichen Realität. (Kein Bedarf diese letzten zwei Worte in Anführungszeichen zu setzen. Wir wissen ja jetzt schon, wie ambig diese Begriffe hier sind.)
Kontrolle
Und eine Sache, die ich von Joss selbst in Interviews gehört habe, und die Thema der Show sein soll, sind natürlich Fantasien und Macht: Ein Active zu sein ist eine sehr zweischneidige Fantasie (selbst wenn das ganze eine Jungs-Fantasie sein soll). Es geht um die Loslösung von der rationalen Kauslitätszuweisung, darum, dass „actions“ keine „consequences“ haben, wie Adelle es sagt, die Fantasie, Verantwortung abgeben zu können für 5 Jahre. Mit dem Preis, auch den freien Willen abzugeben. Eine Frage, die Joss seit „Normal Again“ (oder doch „Chosen“?) nicht mehr so herzhaft angegangen ist.
EDIT 2: Noch mehr Afterthoughts
Foxification
Es ist eine der weniger spannenden Whedon-Szenen, sicher. Die Motorradfahrt, die Party. Aber eine Idee, die mich einfach nicht loslassen will, ist dass Whedon hierbei nicht nur Fox einen Gefallen tut, indem er Joe Blow ins Boot holt. Er macht auch die Prämisse der Serie wahr. Wenn es eine solche Einrichtung gäbe, wie das Dollhouse, wäre es naiv zu glauben, dass nicht die Mehrzahl an Engagements genau dieses „perfect date“-Format wären. Dies ist es, was die Leute daraus holen wollen würden. Dies ist der selling point. Und dies gilt natürlich auch für die Serie Dollhouse: Wenn man so ein Konzept einem Sender pitcht, wäre es naive zu glauben, dass sie nicht für genau diese Art von Unterhaltung gehen würden. (Diese Naivität hat Whedon auch sich selbst vorgeworfen, als er erklärt, dass es seine Idee war, diesen neuen Piloten zu machen, und nicht die des Sender.) Diese Engagements müssen die erste Hook sein, bevor wir mit Kindervergewaltigung und Identität und weißgottnochwas loslegen.
Schön, aber auch, wie Adelle Caroline das Active-Konzept schmackhaft macht, mit Handlungen die keine Konsequenzen haben. Sie ködert natürlich auch uns, als Zuseher in die Serie. Nun wissen wir, dass Echo eine Reise in Richtung kohärentes Subjekt durchmacht, dass Echos Handlungen graduell an Gewicht und Konsequenzen zunehmen werden. Umso schöner, dass das Schauen von Fernsehserien (seit jeher, seit der Bildung der Unterhaltungsindustrie die konsequnzloseste gesellschaftliche Struktur, eine die sprachlich nicht umsonst so oft mit „nur“ vorangestellt wird…) als nerdiges Leben-verändern bei Whedon schon jeher nicht als „bloße“ Unterhaltung angelegt war: Dies macht er hier schon im Piloten deutlich. Wenn unsere Reise die von Echo spiegeln soll, so fangen wir also auch bei Folgen ohne Konsequenzen an, den stand-alones. Und Enden dann bei einem sehr wohl relevanten, gefährlichen, und viel mehr Einfluss als gewollt habenden kohärenten Subjekt, das uns irritiert.
Kohärenz
Aber man beachte die Umkehrung, die diese Reise im Piloten erhält. Was mir erst jetzt wirklich auffällt, ist dass wir unterschiedliche Kohärenzen erhalten für die zwei Engagements: Beim ersten erhalten wir eine komplette Backstory beim Wipe: Einen kohärenten Erinnerungsstrom, eine monokausale Kette, die bis zur Geburt reicht. Beim zweiten sieht die Sache viel komplizierter aus. Es gibt z.B, zu Recht massive Debatten unter den Fans, wie Ellie tatsächlich zusammengesetzt ist. Wir wissen, dass es eine Art good-hits-compilation aus vielen Personen ist, aber wir wissen z.B. nicht, wer davon was erlebt hat. Es gibt keine Wipe-Szene die uns eine kohärente Vergangenheit von Ellie zeigt. Joss lässt den Topher/Body-Dialog über den Selbstmord bewusst ambig, und erwähnt Eleanor Penns Namen nicht. Wir wissen nicht, ob sie es war, die abused wurde. Wir wissen nicht, wer Selbstmord begangen hat. Wer zum Geier ist Eleanor Penn? Diese Unterstreichung von Echos Fragmentierheit ist natürlich (auch wegen dem fehlenden Wipe) insofern spannend, weil es die Reise der Serie (von kohärent zu fucked-up) und die Reise von eventuelle so manchem Charakter spiegeln könnte. Anders betrachtet: Die kohärente Persönlichkeit am Anfang hat nicht einmal einen Namen, während die fragmentiere ohne kohärente Vergangenheit, einen hat. Genau deswegen? Muss der Erzähler sich solche Mühen machen? Will er uns damit sagen: Was kohärente Subjekte sind, kaufen wir eh sofort (und als erstes, und weil es spaßig und sexy ist) und genau deswegen muss man es erst gar nicht benennen? Was kompliziert und weird und disturbing ist, braucht jedoch einen Namen, da wir sonst völlig aussteigen würden? Weirde Sache.
wiesengrund - 15. Februar, 17:20
beim zweiten mal schauen ist mir dann miss dundee (oder wie auch immer) als die "she" für carolines/echos situation bewusst geworden.
und die videoüberwachung ruft doch assoziationen zum predators&prey sammelband hervor.
Was genau meinst du mit der Videoüberwachung?
nur die ganzen monitore, die adelle und boyd vor sich haben. es ist halt nur ein ähnliches bild, mehr nicht,