Review: 1x08 „Needs“
Eine „beste Folge bisher“ nach der anderen scheint das Motto dieser Serie zu sein. Nachdem in „Echoes“ das erste Mal das Thema jenseits des Thriller-Arc-Aspekts eines Insiders (und Alpha) und jenseits eines Clients-of-the-week auf die konkrete Ordnung gelenkt wurde, das erste Mal also die Beziehungen und Machtverhältnisse gekippt, hinterfragt und angerüttelt wurden, scheint dies derweil mal der beliebte Modus zu sein. „Needs“ schließt in dem Sinne thematisch deutlich mehr an „Echoes“ als sagen wir an „Man on the Street“ an, und ich bin gespannt ob die beiden Folgen in Zukunft zusammen als eine Form von thematischer Einheit, als eine Art von angedeutetem Zweiteiler betrachtet werden werden. Nicht weil dazwischen unbedingt ein Cliffhanger war, sondern weil beide Folgen mit den Beziehungen, den Begehren und den Vergangenheiten unserer Schatzis zu tun haben, und weil beide Folgen einen Ausbruch aus diesen Ordnungen suggerieren.
Nun ist „Needs“ aber eine deutlich explizitere und heftigere Aufarbeitung dieses Themas. „Needs“ ist etwas wie ein vorgezogenes Serien-Finale, eine Story die ich ganz ehrlich erst in einer sehr späten Staffel erwartet habe, und von der ich umso überraschter bin zu hören, dass Joss sie damals als eine seiner sieben Piloten Fox gegenüber gepitcht hat. Ich bin erstaunt, das so ein starkes Konzept schon so früh ins Spiel kommt, aber es bleibt dabei, das diese Serie offenbar vor nichts zurückschreckt und sich bei weitem nicht davor scheut, derartige vielsagende Konzepte sehr früh an unsere Köpfe zu werfen. Wofür ich endlos dankbar bin, denn es heißt nur: Mehr Drama, mehr Gewicht und mehr Großartigkeit.
Mal sehen, was die SPOILER-Section zu sagen hat.
Begehren
Nachdem „Echoes“ unsere Actives ein wenige aufgerissen (und vervollständigt hat, im Sinne von Kohärenz) und uns Einblicke in ihre traumatische Vergangenheit gegeben hat, ist klar geworden, dass „Needs“ mit Adelle anfangen muss, die feststellt, dass das Haus außer Balance ist. Die Ordnung ist gestört worden. Die Zwiespältigkeit der Ordnung setzt sich dabei nahtlos hier fort: Unsere Actives haben einen Taste ihrer Vergangenheit erhascht und brauchen das, was wir Zuseher schon haben: Closure. Das Begehren ist der Wunsch nach Closure, nach Kohärenz, nach Abgeschlossenheit, und wenn schon wir Zuseher immer mehr kapieren, wie diese Actives ticken, was sie unterscheidet und wer sie vorher waren, ist es an der Zeit sie selbst auch an diese Erfahrung ranzuführen, bevor mehr Unheil passiert. Adelle beschützt die Actives und das Haus vor mehr Unordnung, mehr Schaden. Sie will auch uns beschützen.
Das gelingt ihr natürlich, abgesehen von einem kleinen Leak. Der kleine Leak (Echos Anruf zu Paul) ist natürlich auch ein Leak an uns Zuseher. Der Cliffhanger. Paul ist als zentrale Figur unsere Zuseheranbindung seit „Man on the Street“ schon ins Reich des Begehrens und der Fantasie abgedriftet. Er symbolisiert unseren Wunsch, Echo zu befreien und zu vögeln. Nun ist die Befreiung, ein Zuseher-Begehren von uns, nicht nur ein Paul-Begehren, sondern auch ein Caroline-Begehren., was nahtlos an ihren Rossum-Einbruch im Flashback in „Echoes“ anschließt. Erstaunlicherweise ist aber nicht Echo, deren Begehren hier thematisiert wird. Sie bleibt vorerst außen vor.
Außen
Ich bin mir nicht mehr hundertprozentig sicher, aber „Needs“ lässt sich wahrscheinlich mühelos als ein kleines Butler-Irigaray-Seminar auf 50 Minuten lesen. Denn die Funktion des Begehrens ist bei jeder Ordnung auch die, ein systematisch versprochenes und erlaubtes (und nach den Regeln der Ordnung lizensiertes) Außen zu suggerieren. Das Begehren ist die systematische Verlockung, dass „du eh darfst“. Wenn nun also „Needs“ als Symbol für jedwede Ordnung, die man im Dollhouse lesen möchte (Kapitalismus, Sexualität, Geschlecht, Rasse, Klasse, etc.), hergenommen wird, ist dies im Wesentlichen was die Folge beschreibt: Das Begehren bezieht sich hierbei explizit auf den Wunsch, das vom Dollhouse aufgezwungene Verbrechen, den Schaden, den die Ordnung den Geordneten antut, rückgängig zu machen. „Needs“ sagt, dass das Begehren der Actives (und unser in „Echoes“ gewecktes Begehren) das von Vergangenheits-Closure ist, also jener Teil, der vom Dollhouse explizit negiert wird: Die Actives habe keine Vergangenheit. Deswegen begehren sie sie. Sie Begehren die Kohärenz die sie nicht haben dürfen. Und das Dollhouse – genauer: Dr. Saunders – lässt sie kurz mit dieser Fantasie spielen, in der Hoffnung, dass dieses kurze Außen (was ja herrlicherweise wortwörtlich außerhalb des Dollhouse ist im Falle von Sierra und November) sie wieder back on track bringt. Wie jede Ordnung es halt so tut.
Schön ist dabei, dass dieses kurze Außen – sofern es auch unser Begehren symbolisiert – sehr unterschiedlich ausgespielt wird. Sierra und November finden draußen nur Traumata, mit denen abgeschlossen werden muss, eine Vergangenheit. Freedom is all we need to heal the pain of history. Victor ist draußen, weil Sierra draußen ist, sein Begehren ist nicht gebunden an eine Vergangenheit, sondern an ein Hier und Jetzt. Und Caroline wiederum macht etwas völlig verrücktes: Ihre Außen ist Innen. Ihr Begehren dreht sich um und richtet sich plötzlich gegen das System des Begehrens selbst. Das ist es, was Adelle nicht vorhersehen konnte.
Innen
Wenn also Caroline plötzlich die Ordnung noch stärker verwackelt als in „Echoes“, sehen wir Zuseher (und wäre Paul unter uns auch er) uns plötzlich vor der ultimativen Fantasie: Echo hält ne Knarre an Tophers, an Adelles Kopf. Freedom that’s promised me. Yay. (Dollverse warb mit einem Foto dieser Szene dafür, warum wir Dollhouse weiter schauen sollten.) Die Ambivalenz (und die endgültige Hoffnungslosigkeit) dieser Fantasie ist aber nicht nur bewiesen durch die Droge, die (wie in „Echoes“) nach ein paar Stunden und Begehrens-Erfüllung automatisch aussetzt, und in einer der schönsten Szenen, die ich je gesehen habe, Caroline zu Boden gehen lässt, nein, die nach Innen gerichtete Fantasie hat allein deshalb schon eine Kehrseite, weil Caroline nicht die einzige war, deren Fantasie sich nach Innen richtete. Mike hat auch sein Begehren erfüllt bekommen. Er wird von dubiosen Regierungs-Agenten abgeschleppt um mit Aliens Sex zu haben. Und Paul hat Sex mit Leichen. Dass also diese Revolution, der Aufstand, der entsteht, wenn sich das Begehren gegen das System des Begehrens selbst richtet, verbunden wird mit dem Begehren des Publikums, mit dem Begehren von Paul und mit dem Begehren all dieser Abscheulichkeiten, für die diese Serie immer schon stand, ist schon der stärkste Hinweis darauf, dass die Erfüllungen, die im Innen ablaufen, noch viel schlimmer sind, als die im systematisch versprochenen und kontrollierten Außen.
In diesem Sinne liefert uns „Needs“ das bisher detaillierteste Porträt dessen, was das Dollhouse ist. „Needs“ ist „Chosen“, mitsamt der Relativierungen, die es in Season 8 erfährt, und versetzt mit einem zusätzlichen unglaublich düsteren Twist am Ende. Es überspringt und erfüllt alles, was Joss-Märchen bisher lieferten, und macht klar, dass wir hier weiter und tiefer gehen müssen, um herauszufinden, wo unsere Wünsche und Begehren liegen, wo sie herkommen und wie wir mit ihnen umgehen. Caroline ist hierbei (wie Buffy in Season 7) mehr ein formales Mittel, eine Projektionsfläche, als ein tatsächlicher Agent. Denn Echo, die wichtigste Agentin, hat noch gar nicht agiert hier. Sie agiert erst in der nächsten Folge. Als Agentin.
Spekulationen und Randbemerkungen
Nun ist „Needs“ aber eine deutlich explizitere und heftigere Aufarbeitung dieses Themas. „Needs“ ist etwas wie ein vorgezogenes Serien-Finale, eine Story die ich ganz ehrlich erst in einer sehr späten Staffel erwartet habe, und von der ich umso überraschter bin zu hören, dass Joss sie damals als eine seiner sieben Piloten Fox gegenüber gepitcht hat. Ich bin erstaunt, das so ein starkes Konzept schon so früh ins Spiel kommt, aber es bleibt dabei, das diese Serie offenbar vor nichts zurückschreckt und sich bei weitem nicht davor scheut, derartige vielsagende Konzepte sehr früh an unsere Köpfe zu werfen. Wofür ich endlos dankbar bin, denn es heißt nur: Mehr Drama, mehr Gewicht und mehr Großartigkeit.
Mal sehen, was die SPOILER-Section zu sagen hat.
Begehren
Nachdem „Echoes“ unsere Actives ein wenige aufgerissen (und vervollständigt hat, im Sinne von Kohärenz) und uns Einblicke in ihre traumatische Vergangenheit gegeben hat, ist klar geworden, dass „Needs“ mit Adelle anfangen muss, die feststellt, dass das Haus außer Balance ist. Die Ordnung ist gestört worden. Die Zwiespältigkeit der Ordnung setzt sich dabei nahtlos hier fort: Unsere Actives haben einen Taste ihrer Vergangenheit erhascht und brauchen das, was wir Zuseher schon haben: Closure. Das Begehren ist der Wunsch nach Closure, nach Kohärenz, nach Abgeschlossenheit, und wenn schon wir Zuseher immer mehr kapieren, wie diese Actives ticken, was sie unterscheidet und wer sie vorher waren, ist es an der Zeit sie selbst auch an diese Erfahrung ranzuführen, bevor mehr Unheil passiert. Adelle beschützt die Actives und das Haus vor mehr Unordnung, mehr Schaden. Sie will auch uns beschützen.
Das gelingt ihr natürlich, abgesehen von einem kleinen Leak. Der kleine Leak (Echos Anruf zu Paul) ist natürlich auch ein Leak an uns Zuseher. Der Cliffhanger. Paul ist als zentrale Figur unsere Zuseheranbindung seit „Man on the Street“ schon ins Reich des Begehrens und der Fantasie abgedriftet. Er symbolisiert unseren Wunsch, Echo zu befreien und zu vögeln. Nun ist die Befreiung, ein Zuseher-Begehren von uns, nicht nur ein Paul-Begehren, sondern auch ein Caroline-Begehren., was nahtlos an ihren Rossum-Einbruch im Flashback in „Echoes“ anschließt. Erstaunlicherweise ist aber nicht Echo, deren Begehren hier thematisiert wird. Sie bleibt vorerst außen vor.
Außen
Ich bin mir nicht mehr hundertprozentig sicher, aber „Needs“ lässt sich wahrscheinlich mühelos als ein kleines Butler-Irigaray-Seminar auf 50 Minuten lesen. Denn die Funktion des Begehrens ist bei jeder Ordnung auch die, ein systematisch versprochenes und erlaubtes (und nach den Regeln der Ordnung lizensiertes) Außen zu suggerieren. Das Begehren ist die systematische Verlockung, dass „du eh darfst“. Wenn nun also „Needs“ als Symbol für jedwede Ordnung, die man im Dollhouse lesen möchte (Kapitalismus, Sexualität, Geschlecht, Rasse, Klasse, etc.), hergenommen wird, ist dies im Wesentlichen was die Folge beschreibt: Das Begehren bezieht sich hierbei explizit auf den Wunsch, das vom Dollhouse aufgezwungene Verbrechen, den Schaden, den die Ordnung den Geordneten antut, rückgängig zu machen. „Needs“ sagt, dass das Begehren der Actives (und unser in „Echoes“ gewecktes Begehren) das von Vergangenheits-Closure ist, also jener Teil, der vom Dollhouse explizit negiert wird: Die Actives habe keine Vergangenheit. Deswegen begehren sie sie. Sie Begehren die Kohärenz die sie nicht haben dürfen. Und das Dollhouse – genauer: Dr. Saunders – lässt sie kurz mit dieser Fantasie spielen, in der Hoffnung, dass dieses kurze Außen (was ja herrlicherweise wortwörtlich außerhalb des Dollhouse ist im Falle von Sierra und November) sie wieder back on track bringt. Wie jede Ordnung es halt so tut.
Schön ist dabei, dass dieses kurze Außen – sofern es auch unser Begehren symbolisiert – sehr unterschiedlich ausgespielt wird. Sierra und November finden draußen nur Traumata, mit denen abgeschlossen werden muss, eine Vergangenheit. Freedom is all we need to heal the pain of history. Victor ist draußen, weil Sierra draußen ist, sein Begehren ist nicht gebunden an eine Vergangenheit, sondern an ein Hier und Jetzt. Und Caroline wiederum macht etwas völlig verrücktes: Ihre Außen ist Innen. Ihr Begehren dreht sich um und richtet sich plötzlich gegen das System des Begehrens selbst. Das ist es, was Adelle nicht vorhersehen konnte.
Innen
Wenn also Caroline plötzlich die Ordnung noch stärker verwackelt als in „Echoes“, sehen wir Zuseher (und wäre Paul unter uns auch er) uns plötzlich vor der ultimativen Fantasie: Echo hält ne Knarre an Tophers, an Adelles Kopf. Freedom that’s promised me. Yay. (Dollverse warb mit einem Foto dieser Szene dafür, warum wir Dollhouse weiter schauen sollten.) Die Ambivalenz (und die endgültige Hoffnungslosigkeit) dieser Fantasie ist aber nicht nur bewiesen durch die Droge, die (wie in „Echoes“) nach ein paar Stunden und Begehrens-Erfüllung automatisch aussetzt, und in einer der schönsten Szenen, die ich je gesehen habe, Caroline zu Boden gehen lässt, nein, die nach Innen gerichtete Fantasie hat allein deshalb schon eine Kehrseite, weil Caroline nicht die einzige war, deren Fantasie sich nach Innen richtete. Mike hat auch sein Begehren erfüllt bekommen. Er wird von dubiosen Regierungs-Agenten abgeschleppt um mit Aliens Sex zu haben. Und Paul hat Sex mit Leichen. Dass also diese Revolution, der Aufstand, der entsteht, wenn sich das Begehren gegen das System des Begehrens selbst richtet, verbunden wird mit dem Begehren des Publikums, mit dem Begehren von Paul und mit dem Begehren all dieser Abscheulichkeiten, für die diese Serie immer schon stand, ist schon der stärkste Hinweis darauf, dass die Erfüllungen, die im Innen ablaufen, noch viel schlimmer sind, als die im systematisch versprochenen und kontrollierten Außen.
In diesem Sinne liefert uns „Needs“ das bisher detaillierteste Porträt dessen, was das Dollhouse ist. „Needs“ ist „Chosen“, mitsamt der Relativierungen, die es in Season 8 erfährt, und versetzt mit einem zusätzlichen unglaublich düsteren Twist am Ende. Es überspringt und erfüllt alles, was Joss-Märchen bisher lieferten, und macht klar, dass wir hier weiter und tiefer gehen müssen, um herauszufinden, wo unsere Wünsche und Begehren liegen, wo sie herkommen und wie wir mit ihnen umgehen. Caroline ist hierbei (wie Buffy in Season 7) mehr ein formales Mittel, eine Projektionsfläche, als ein tatsächlicher Agent. Denn Echo, die wichtigste Agentin, hat noch gar nicht agiert hier. Sie agiert erst in der nächsten Folge. Als Agentin.
Spekulationen und Randbemerkungen
- Hidden transcript of the week: Echos Anruf, der uns Paul und uns endlich wieder auf die Mulder-Schiene rückt.
- Es ist schwer zu erklären, warum Topher in „Gray Hour“ sensationellerweise von Alpha erfährt, aber mittlerweile alle davon wissen. Ein netter Fanwank ist aber, dass er tatsächlich zu spät zum Meeting, zur Party kommt, und womöglich einfach als letzter davon erfahren hat, schon damals.
- Nett auch, wie genau als Boyd Alpha erwähnt, kurz das Licht flackert. Erinnert uns daran, dass Alpha die erste große Power-Outage des Dollhouse war, der Moment, wo sie Macht verloren, abgegeben haben. Vielleicht auch der Moment, wo die Macht in falsche Hände geriet.
- Sierras Backstory, dass sie tatsächlich ans Dollhouse verkauft wurde, als Sex-Sklavin, ist wohl wirklich die mit Abstand düsterste und beklemmendste Geschichte, die wir bisher auf Seiten der Actives gehört haben. Als ob sie nicht mit Hearn schon durch genug Abscheulichkeit gegangen wäre. Und alles nur, um es „easier“ zu machen.
wiesengrund - 16. April, 18:18
oh, und auch schön die folge mit dem wissen um die geschichte von dr. saunders und topher zu sehen.