Review: 1x05 „True Believer“

Dass Tim Minear nicht nur die scheinbar immens wichtige 12. Folge geschrieben hat, sondern auch eine dieser ersten, und dabei sogar die letzte stand-alone Folge, ist mehr Zufall als Planung. Joss wollte eine „cult“-Folge haben, und niemand wollte sie schreiben. Wie immer, wenn Tim Minear sich etwas annimmt, was Joss ersonnen hat, wird daraus meistens was Besonderes. So war es bei Firefly, für dessen Grandiosität er mindestens so verantwortlich ist wie Joss, so war es bei Angel, wo er die meisten Fehler, die David Greenwalt unterwegs begangen hat, ausbügelte.

Dass nun die letzte stand-alone Folge, die letzte Folge vor der großen Arc der ersten Staffel, gerade von Tim Minear ist, und dass gerade ihm die Aufgabe zufiel, ein letztes Mal eine Story-of-the-week metaphorisch mit dem Gesamtkonzept des Dollhouse zu verbinden, ist einer der wunderbaren Zufälle. Kein Wunder, dass es in der Folge um Wunder, Zufälle und unsere Erklärungen von ihnen geht. Tim Minear hat eine der bisher stärksten Metaphern für das Dollhouse gefunden, und es ist neben der Idee, dass die Dolls willenlose Gläubige sind, die sich ständig wundernd in einem Garten Eden leben, auch beachtenswert, wie die A-Story mit dem Hintergrund des Universum verbunden ist, wie sie kommentiert wird von den Vorgängen im und um das Dollhouse herum. Die stärksten stand-alone Folgen bei allen Whedon-Serien waren seit jeher jene, die die A-Story nahmen, um das Universum zu informieren, Einfluss auszuüben auf die Charaktere und sie in einer subtile Art und Weise weiterzuentwickeln. Klar, auch das bietet „True Believer“, vor allem was die Echo-Dominic-Beziehung angeht.

Aber ganz im Gegensatz zu den meisten bisherigen stand-alones ist hier die Beziehung zwischen A-Story und dem sie beinhaltenden Universum Thema. „True Believer“ fragt nicht nur, wie die Technologie des Dollhouse mit unserer Wirklichkeit vereinbar sein kann, sie fragt auch, wie wir diese Vorgänge erklären können, wie wir damit umgehen, und welche gesellschaftliche Relevanz sie haben könnten. In dem Sinne ist sie die perfekte Abschlussfolge für den metaphorischen Teil der Staffel, denn sie bietet die nötige Tiefe, um uns auf das kommende vorzubereiten. Neben „The Target“ ist dies meine liebste Folge bisher. Wundervoll. Machen wir’s der Folge nach, und sehen nach, woher die Wunder kommen. Auf zur SPOILER-Section.

Wunder

„True Believer“ bringt im Titel schon zwei Kernkonzepte unseres Zusammenlebens ins Spiel: Wahrheit und Glaube. Nicht umsonst ist das Wunder ein zentrales Thema, denn ist sitzt genau an der Schnittstelle zwischen diesen beiden Konzepten. Als in „The Target“ kurz Magie mit dem Dollhouse in Verbindung gebracht wurde, war dies als Meta-Ebene natürlich fein: Die Technologie ist zwar ein Trick, aber ein Trick, der „wahr“ ist. „What we offer is truth.“ sagt Adelle dazu. Was natürlich für die Serie auch gilt. Aber hier gehen wir die Frage von einem anderen Aspekt her an: Die Technologie ist auch ein Wunder, aber ein Wunder, das „wahr“ ist. In „True Believer“ haben alle Recht. Esther lügt nicht, als sie vom Wunder spricht, dass Jonas ihr in einer Vision erschienen ist, denn das tat er tatsächlich. Als sie wieder sehen kann, lügt sie nicht, dass es ein Wunder ist, denn sie sieht tatsächlich erstmals seit sehr langer Zeit. Und als Jonas dieses Wunder nimmt, und etwas übers Ziel hinausschießt, lügt er auch nicht: Er hat nie behauptet, ein besonderer Mensch zu sein. Er hat ein Wunder miterlebt, und das gab ihm erst den Anstoß zu seinen Handlungen.
Interessant ist natürlich, dass die Meta-Story, in die diese Wunder eingebettet sind, uns die „Erklärung“ ja liefert: Esther sah Jonas, weil Topher sie dazu programmierte. Sie erlangt ihr Augenlicht wieder, weil die Kameras aus der Fassung geschlagen wurden. Die Folge liefert uns ständig den technologischen Kommentar all dieser Wunder, löst aber ethisch nichts davon als Spinnerei auf: Es ist die Einmischung der Regierung, die das Drama heraufbeschwört. Die tatsächlich einzig lügende Schlange in all dem ist Agent Lilly, der Beweise fälscht.

Außenseiter

Eine Kult-Folge ist natürlich insofern ein schwieriges Genre-Terrain, weil allzu leicht die religiösen Spinner hinten rauskommen. Aber Tim Minear umgeht das Problem ständig. Der Kult tut nichts böses, und hat prinzipiell die ganze Zeit Recht. Erst die Eskaltion durch die Regierung bringt das Unheil hervor. Tim Minear weist zurecht darauf hin, dass Jonas Sparrow wie Charles Manson ins Gefängnis kam, und danach feststellte, dass er in der Gesellschaft das „bad element“ ist und nicht willkommen ist. Er baut sich sein eigenes Gefängnis, seine eigene Gesellschaft als Reaktion darauf. Aber dabei hört das Interesse der Gesellschaft nicht auf, denn schließlich sind Außenseiter, die für sich alleine sind und tatsächlich ein „Außen“ darstellen, wieder eine Gefahr, eine die internalisiert und dadurch unschädlich gemacht werden muss.

Dollhouse

Was eine interessante Parallele zum Dollhouse ist. Ist Agent Lillys hinterlistiger Versuch, für Rache zu sorgen, eine Anspielung auf Ballards Jagd nach dem Dollhouse? Ist das FBI, das verzweifelt versucht einen Person, die angeblich „Save Me“ sagt (Echo/Caroline), aus dem Dollhouse zu befreien auch anfällig für solche Fabrikationen von Wahrheit? Wird Ballard sein eigenes Wunder erzwingen müssen, um einen Warrant zu erhalten? Und die Parallelen zwischen Jonas und Adelle sind ja noch spannender: War Adelle selbst einmal eine Doll, sodass sie nach ihrer Befreiung merkte, dass sie in der Gesellschaft nicht funktionieren kann, und daher ihr eigenes kleines Gefängnis, ihre Garten Eden gebaut hat? Einen Garten Eden, den die Regierung untersucht? Ein Mythos ist, wie der biblische Garten Eden? Ist der Grund für ihre Zuneigung zu Echo der, dass sie selbst einmal ein derartiges Erwachen erlebt hat, und die Hintergründe dieser Entwicklung (im Gegensatz zu Dominic) kennt? Interessant ist, dass Adelle Echos Entwicklung nicht stört, sie aber von Victors Schlange Angst hat. War es das, was ihr wiederfahren ist? Wie gefährlich ist diese Schlange eigentlich? Und wenn Jonas Adelle symbolisiert, wie kommt es, dass er auch den Kidnapper von „Ghost“ symbolisiert, den Vergewaltiger kleiner Mädchen? Wunder über Wunder.

Sehen

Eine der stärksten Themen in dieser Folge ist auch das Sehen und Beobachten. Schon bisher hat die Serie sehr viel mit Monitoren und Filmen zu tun gehabt, aber hier passiert fast alles auf einer filmischen Meta-Ebene. Agent Lilly braucht die blinde Esther als Kamera, und wenn sie dann sieht, ist er blind. Topher und Claire suchen die Schlange auf Video-Aufzeichnungen, und auch Paul findet seine Schlange auf einem Fernseher, zweimal innerhalb der Folge sogar. Ständig schwebt die Frage im Raum, wieviel wir davon, was wir sehen, glauben. Nicht umsonst gibt es meiner Zählung nach ganze drei Esther-wird-in-den-Kult-akzeptiert-Szenen. Sie wird mehrmals getestet, Jonas muss wissen, ob das, was sie über ihr Sehen sagt, auch stimmt. Auch Topher und Claire suchen auf den Filmen Beweise, ein Muster, und Boyd findet mittels Überwachungskameras die Wahrheit über die Eröffnungsszene, über die Lüge von Agent Lilly heraus. Paul hingegen fährt zum Ort des Geschehens um das im TV gesehene zu beweisen. Und schließlich haben wir einen der schönsten Lacher der Folge, als Agent Lilly im Fernsehen lügt, und prompt von Bild wiederlegt wird. Das filmisch dargestelltes sowohl Beweise einfordert (weil es nicht real ist), aber auch oft als Beweis hergenommen wird (weil es so tut als ob es real wär) wird ständig hin und hergeworfen in der Folge. Es sind neben allen andern Wundern auch diese filmischen Element die das Magische, das Wunderliche in der Folge darstellen, und ihre Beziehung zur Wahrheit ist nie einfach oder unidirektional. Wir glauben an das in bewegten Bildern dargestellte, weil es nicht real ist. Es fordert von uns „suspension of disbelief“. Aber dadurch wird es real genug, dass es Einfluss auf uns hat. Keine Folge bisher (nicht mal das durch derartige Meta-Kommentare vollgespickte „Ghost“) hat durch so viele Monitore diesen Punkt so ausgiebig beleuchtet. Denn schließlich gilt für uns ja auch, was Esther am Ende kapiert: Ihr wurde das Augenlicht nicht widergegeben, damit sie einfach nur zusieht. Das Gesehene hat weit über eine rein kognitive Verarbeitung hinaus Einfluss auf uns. „Move your ass“ ist die Message.

Gott

Umso spannender ist diese Message natürlich auch, weil sie von Gott kommt, und wir ja schon ahnen, dass Adelle Gott ist. Dies wurde in den allerersten Casting Sides zu ihrem Charakter schon angedeutet, als sie einem Client erklärt, dass sie Gott wäre „in every sense that matters“, aber in „True Believer“ kriegen wir diese Ebene ganz explizit aufgetischt, spätestens als Esther darauf hinweist, dass Boyd ein Instrument Gottes ist. Adelles Allmacht über die Actives und über ihre Instrumente ist zwiespältig: Sie sorgt sich um ihre Kinder und wünscht ihnen ein perfektes Leben in ihrem konfliktfreien Garten. Sie fürchtet Schlangen und Ungehorsam und verspürt Sorge um ihre Schützlinge. Aber gleichzeitig müssen ihre Schützlinge täglich raus in die böse Welt, in der Alphas herumrennen. Gleichzeitig erwachen ihre Schützlinge langsam, stellen sie als Gott implizit in Frage und sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Ist Echos Erwachen (und Boyds Erwachen) tatsächlich ihre größte Sorge? Ist es Alpha? Oder wird sie auch ein Wunder herbeiführen, sollte Paul jemals das Dollhouse aufspüren? Wie reagiert Gott, wenn seine Schöpfung vor eine disharmonische Unausgewogenheit geworfen wird? Wie reagiert Joss, wenn seine Charaktere anfangen, aus der Reihe zu tanzen? Ich glaube wir stehen kurz davor es herauszufinden. Die nächste Folge verspricht Großes. Und Patton Oswalt.

Spekulationen und Randbemerkungen
  • Mellies zögern beim Beschreiben des Mannes, der ihr den Brief gab, und ihr Aufspringen auf den Zug, den Loomis ihr anbietet, haben mir beim zweiten Mal schauen schon Zweifel erweckt. Ist sie eventuell eine Handlangerin von Alpha und nicht vom Dollhouse?
  • Ich habe bei der Erwähnung von Ms. Lonelyhearts ehrlich schlucken müssen. Ich war mir sicher die Storyline wäre weg. Blöd nur, dass ich mich jetzt beherrschen muss, nichts darüber zu verraten.
  • Der Humor wird immer köstlicher. „Man reaction“, Pauls Telefonat mit Mellie, sein kleiner Mal-Moment mit „Did I mention I was shot?“ und Adelles „Take the stairs“ waren herzallerliebst.
  • Wenigstens ist Adelle hübscher als Gott. Eine meiner liebsten Adelle-Zeilen aus besagten Casting Sides ist: „A lady always likes to hear that she’s more attractive than an old man with a beard.”
kornundsprite - 14. April, 23:47

ich kann mir ja nicht vorstellen, dass echo das gleiche passiert wie alpha. dazu wird dieses she cares a lot about people viel zu sehr herausgestellt, ja überschrebt von anfang an ihre imprints.

ms lonelyhearts ist wirklich schön. bleibt noch die frage, wer die schlange im dollhouse ist?

dominics mordversuch ist aber wirklich ein wenig doof gelöst, und dass ballard bei lilly so schnell klein bei gibt, kaufen wir doch auch nicht ab.

aber ja, meine liebste folge der ersten fünf.

wiesengrund - 15. April, 10:59

Über Alpha jetzt zu spekulieren trau ich mich irgendwie nicht mehr, da wir ihn schon so lange vernachlässigen. Aber ja, klar passiert vermutlich nicht das selbe mit Echo wie mit ihm. Es wird nur parallelisiert und als Bedrohung gemalt. Da kann natürlich auch ein Echo-ist-Anti-Alpha-Twist kommen, oder sonstwas.

Ja, Ms. Lonelyhearts, hach. Meine Email-Adresse macht endlich Sinn. :)

Doms Mordversuch: Yup, das wollte mich schon damals nicht wirklich zufriedenstellen. Wenn er keine Beweise hinterlassen will, darf er Jonas auch nicht abknallen. Wenn ihm Beweise wurscht sind, dann kann er Echo doch auch einfach abknallen. Aber jo mei. Ballard/Lilly hab ich damals schon abgekauft, handgreiflich gegenüber Kollegen wurde er erst eine Folge später (und das gegen nen alten Nervtöter-Rivalen).

Ich bin ja immer noch im "The Target"-camp, felsenfest, aber "True Believer" prügelt sich mit "Ghost" um den zweiten Platz der First Five.

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